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Synergien zwischen Schule und außerschulischer Betreuung

Mündliche Frage von Frau Céline Kever an Ministerin Lydia Klinkenberg

Zu Synergien zwischen Schule und außerschulischer Betreuung

Seit der letzten Legislaturperiode arbeitet die Regierung der Deutschsprachigen Gemeinschaft an einer Gesamtvision für das Unterrichtswesen.
Nach einer umfassenden Diagnosephase sollen die Stärken und Schwächen des ostbelgischen Bildungssystems identifiziert und Handlungsempfehlungen sowie konkrete Maßnahmen für die Zukunftsfähigkeit des Unterrichtswesens ausgearbeitet werden.
Seitdem fanden im Rahmen der Diagnosephase eine Reihe von Untersuchungen statt. Erste Erkenntnisse wurden bereits 2020 gemeinsam mit dem Dienstleister VDI Technologiezentrum GmbH (VDI TZ) anhand einer Meinungsumfrage vorgestellt. Weitere Erkenntnisse stellten Sie, Frau Ministerin, gemeinsam mit der OECD im Rahmen einer Studie zur Qualität und Chancengleichheit im Unterrichtswesen der DG vor circa drei Wochen vor.
„Ein leistungsstarkes Schulsystem, aber unter seinen Möglichkeiten” zitierte das GrenzEcho die Ergebnisse der Untersuchungen.
Obschon die DG sehr viel Geld ins Unterrichtswesen investiert und damit – was die Investitionen angeht – deutlich über dem OECD-Durchschnitt liegt, landet die Gemeinschaft bei den Ergebnissen jedoch nur leicht über dem Durchschnitt der OECD-Länder.
Eine bemerkenswerte Feststellung der OECD-Experten, die im GrenzEcho-Bericht nachzulesen war, betrifft die Wiederholungsrate bei den Schülern in Ostbelgien. Diese liegt in der DG doppelt so hoch, wie der OECD-Durchschnitt. 28% der 15-jährigen in der DG haben 2018 das Jahr nicht bestanden. Die Experten sehen in der hohen Wiederholungsrate eine Gefährdung der Chancengleichheit und bemängeln in diesem Zusammenhang die fehlende Verbindung zwischen Schule und außerschulischer Betreuung.
Die SP-Fraktion spricht sich seit geraumer Zeit für eine Verbindung von Schule und außerschulischer Betreuung bei der Organisation der Hausaufgaben aus. Unsere Fraktion ist der Meinung, dass Hausaufgaben die Ungerechtigkeit in der Gesellschaft fördern. Noch immer hängen die Bildungschancen der Schülerinnen und Schüler zu stark davon ab, ob die Eltern in der Lage sind, die Hausaufgaben mit ihren Kindern zuhause zu machen oder aber davon, ob die Eltern sich die Hausaufgabenschule leisten können.
Solange Hausaufgaben noch Teil unseres Schulsystems sind, brauchen Schüler und Eltern Entlastung und Unterstützung dabei.

In diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen folgende Fragen stellen:

  • Wie bewerten Sie die Analyse der OECD-Studie zu der Wiederholungsrate in der DG?
  • Wie stehen Sie zu einer Verbindung zwischen Schule und außerschulischer Betreuung, die den Kindern, neben der Freizeitbeschäftigung auch die Möglichkeit gibt, die Hausaufgaben vor Ort und nicht zuhause zu machen?
  • Sieht das neue Dekret zur Reorganisation der Kinderbetreuung in Ostbelgien Synergien zwischen der Schule und der außerschulischen Betreuung vor?

https://youtu.be/_VjWr9HiyEQ

Antwort der Ministerin:

Sehr geehrte Frau Vorsitzende,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

zunächst möchte ich kurz richtigstellen, dass die Aussage, dass „28% der 15-jährigen in der DG 2018 das Jahr nicht bestanden haben“ so nicht korrekt ist. Die Schüler haben nicht alle 2018 gedoppelt, vielmehr hatten im Jahr 2018 28% der damals 15-Jährigen im Laufe ihrer Schulzeit ein Jahr wiederholt. Nichtsdestotrotz bedeutet auch das einen sehr großen, ja einen zu großen Schulrückstand.

Neben den Feststellungen zu den Klassenwiederholungsquoten im Vergleich zum OECD-Durchschnitt stellt die OECD fest, dass erhebliche Anstrengungen erforderlich seien, um diese Quote zu verringern. Die OECD empfiehlt, sich hierbei unter anderem auf Unterrichtsstrategien und spezifische Interventionen zu konzentrieren. Dies erfordert nicht zuletzt einen Wandel in der Denkweise aller am Bildungssystem beteiligten Akteure, einschließlich der Lehrer, Schulleiter, Eltern und Schüler.

Die Umsetzung von kompetenzorientierten Lernsituationen und dementsprechende Leistungsermittlungen und -bewertungen mit einem höheren Anteil an formativen Leistungsüberprüfungen könnte einer der Faktoren sein, um die Wiederholerquote in der Deutschsprachigen Gemeinschaft zu senken. Jedoch bedarf es einer ausführlicheren Analyse der OECD-Studie, um diesbezügliche Gelingensfaktoren zu identifizieren.

Die außerschulische Betreuung ist per Definition eine Kinderbetreuung außerhalb der Schulzeit sowie an pädagogischen Konferenztagen. Sie grenzt sich deutlich vom schulischen Alltag ab und ist nicht mit den Hausaufgabenschulen zu verwechseln. Ihre primäre Aufgabe ist die Betreuung, die übrigens auch die Kleinkinder umfasst. Dennoch haben die Schulkinder in der außerschulischen Betreuung des RZKB die Möglichkeit, eigenständig und auf freiwilliger Basis ihre Hausaufgaben zu machen. Die Betreuer geben im Rahmen der Möglichkeiten Hilfestellung, dies ist nicht zuletzt abhängig vom Personalschlüssel und der Qualifikation der Betreuer.

Neben der außerschulischen Betreuung gibt es in der Deutschsprachigen Gemeinschaft Dienstleister von Hausaufgabenschulen. Die Hausaufgabenschulen leisten wertvolle Arbeit.
Oftmals werden die Kinder von Ehrenamtlichen betreut. Wir bezuschussen jedoch in den letzten Jahren vermehrt auch Stellen für hauptamtliche Mitarbeiter. Zur Professionalisierung und zur engeren Verbindung zwischen Hausaufgabenschule und Unterricht gewähren wir jedoch nicht nur personelle Ressourcen. Dem Kompetenzzentrum des Zentrums für Förderpädagogik kommt mittlerweile eine supervisierende und koordinierende Funktion zu. So entsendet es nicht nur Personal, sondern berät auch die Hausaufgabenschulen und beruft im Sinne der informellen Weiterbildung der Ehrenamtlichen auch Netzwerktreffen ein.

Wir wissen nicht erst seit der OECD Studie, dass Hausaufgaben die Chancenungleichheit erhöhen können. In unseren Schulen wird Ganztagsunterricht angeboten. Aus diesem Blickwinkel betrachtet, ist es sicher erstrebenswert, die Hausaufgabenkultur im Sinne der Chancengleichheit zu überdenken, anstatt sie zu fördern. Die schwächeren Schüler sollten nicht noch zusätzlich benachteiligt werden; die Schere darf nicht weiter auseinandergehen.
In diesem Sinne hat der Fachbereich Pädagogik des Ministeriums den Schulen vor einigen Jahren bereits eine Handreichung mit Empfehlungen zu den Hausaufgaben zukommen lassen, die auf den Forschungsergebnissen einer Erziehungswissenschaftlerin der Pädagogischen Hochschule Bern beruht. Wie Sie wissen, fällt die Hausaufgabenpraxis in die pädagogische Freiheit der Schulen, sodass wir in dem Bereich keine Vorschriften machen können und die Schulen vielmehr sensibilisieren.

Wir müssen nicht nur die Wiederholungsrate senken, wir müssen auch darauf achten, dass Hausaufgaben, wenn überhaupt, gezielt und in einem angemessenen Umfang erteilt werden. Hausaufgaben können als Brücke zwischen Elternhaus und Schule fungieren und dazu beitragen, dass die Kinder allmählich an das selbstständige und eigenverantwortliche Arbeiten herangeführt werden. Das Ziel von Hausaufgaben darf jedoch nicht sein, dass ohnehin benachteiligte Schüler allein Schwächen aufarbeiten müssen und der schulische Auftrag sozusagen ausgelagert wird. In diesem Sinne war auch die bereits erwähnte Handreichung gedacht.

Zur Verzahnung von Schule, außerschulischer Betreuung und Hausaufgabenschulen möchte ich anmerken, dass wir in Teilen der OECD Empfehlung bereits gerecht werden, insofern bereits heute zwischen den Schulen und der außerschulischen Betreuung Synergien bestehen. So befindet sich heute eine Mehrheit der Standorte der außerschulischen Betreuung in Gebäuden der Schulen. Bei zukünftigen bzw. geplanten Initiativen im Bereich der außerschulischen Betreuung begrüße ich die Überlegungen der Schulen oder der Gemeinden in diese Richtung, denn dann stellt sich zum Beispiel nicht mehr die logistische Herausforderung der Beförderung von der Schule in die Standorte der außerschulischen Betreuung.

Das Dekret zur Schaffung einer Einrichtung öffentlichen Interesses in der Kinderbetreuung sieht über diese bestehenden Synergien keine zusätzliche Ausweitung der Rolle der außerschulischen Betreuung im Hinblick auf die Schule vor. Die Einrichtung öffentlichen Interesses wird jedoch alle Möglichkeiten haben, Partnerschaften mit Akteuren in und außerhalb Ostbelgiens einzugehen oder diese zu vertiefen. Dies kann sicherlich auch die Zusammenarbeit mit den Schulen verbessern.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.