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Stipendiensystem für Mangelberufe in Ostbelgien

Plenarsitzung des PDG vom 26. Juni 2023

Redebeitrag von Frau Kirsten Neycken-Bartholemy, Vorsitzende der SP-Fraktion, zum Dekretentwurf zur Einrichtung eines Fonds für zinslose Darlehen an Auszubildende, Studierende und Schüler in Mangelberufen Dok. 266 Nr.5

Sehr geehrter Herr Präsident,

Sehr geehrte Mitglieder der Regierung,

Werte Kolleginnen und Kollegen,

nach dem Maßnahmendekret besprechen wir auch hier einen Text, der in gleich mehrfacher Hinsicht das Unterrichtswesen betrifft. Gleichwohl betrifft der vorliegende Entwurf die Gesellschaft noch viel allgemeiner.

Ein Ziel und offiziell das große Ziel des Stipendiums ist die Bekämpfung des Fachkräftemangels. Im Unterrichtswesen kennen wir diesen europaweit und vermutlich auch weltweit. Der gleiche Fachkräftemangel herrscht aber auch in zahlreichen weiteren Berufen. Im weiteren Verlauf der Stellungnahme werde ich tiefer auf die betroffenen Berufe eingehen.

Doch erst zur Bekämpfung des Fachkräftemangels: Klar ist unseres Erachtens seit einiger Zeit, dass die Bekämpfung des Fachkräftemangels zahlreiche Maßnahmen erfordert. Das zinslose Darlehen, in der öffentlichen Diskussion auch Stipendium genannt, ist eine solche Maßnahme. Im Hinblick auf den Fachkräftemangel ist festzuhalten, dass sie ihre Wirkung nicht direkt entfalten wird. Mittelfristig rechnen wir aber mit einer positiven Beeinflussung der Fachkräftesituation. Gleichzeitig finden wir auch wichtig, dass durch diese Maßnahme zahlreiche Schüler und Studenten unterstützt werden können. Mit der Einführung des Stipendiensystem schafft die DG somit ein in mehrfacher Hinsicht gutes Instrument.

 

Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, ist in erster Linie wichtig, dass mehr Menschen in Ostbelgien arbeiten. Deswegen wird dies auch von den Darlehensnehmern erwartet. In den Augen der SP-Fraktion begrenzt sich der Nutzen des neuen Stipendiensystems dank dieser Bedingung nicht ausschließlich auf die Studenten, Auszubildenden und Schüler. Vielmehr wird jeder Einwohner Ostbelgiens davon profitieren können.

Denn in der Liste der Mangelberufe sind zahlreiche gesellschaftsrelevante Berufe zu finden. Darunter finden wir beispielsweise die Krankenpflege, pädagogische Berufe oder verschiedene handwerkliche Berufe wie beispielsweise Schweißer, Bauschreiner und Dachdecker. Die verschiedenen Mangelberufe ergeben sich in erster Linie aus der Liste der Mangelberufe, die das Arbeitsamt jährlich im Mai oder Juni erstellt. Die Regierung kann diese Liste ergänzen.

 

Aus jener Liste der Mangelberufe ergeben sich dann auch die möglichen Begünstigten des Darlehens.

Die Zielgruppen der Maßnahme sind derzeit die Studierenden der AHS, die Lehrlinge, sowie die Schüler des 7. berufsbildenden Schuljahres einer Sekundarschule, aber auch Studenten, welche innerhalb der EU ein Medizin- oder Zahnmedizinstudium absolvieren und deren Wohnsitz sich in der DG befindet.

Die genannten Personen haben durch dieses Darlehen Anspruch auf eine Förderung in Höhe von 350 € monatlich. Dieses Darlehen muss nicht zurückgezahlt werden, wenn die Person innerhalb von 10 Jahren nach Erhalt des Abschlusses mindestens 5 Jahre lang mindestens halbzeitig in der DG arbeitet. Eine Ausnahme gilt für die Schüler des 7. Jahres des berufsbildenden Unterrichts. Da ihre Ausbildung nur ein Jahr dauert und diese dementsprechend nur ein Jahr vom zinslosen Darlehen profitieren können, genüge im vorliegenden Fall nach Erhalt des Abschlusses eine halbzeitige Beschäftigung während 3 Jahren in der DG.

Durch einen Abänderungsvorschlag können noch weitere Ausnahmen hinzukommen. In begründeten Ausnahmefällen könnte dann eine eigens dafür geschaffene Kommission beschließen, dass das Darlehen nicht zurückgezahlt werden muss. Hierfür können beispielsweise gesundheitliche Gründe ausschlaggebend sein.

 

Wie funktioniert das System konkret aus Sicht der direkt Begünstigten?

Im ersten Schritt entscheidet die betroffene Person sich für eine Ausbildung, ein Studium, oder das siebte Jahr des berufsbildenden Sekundarunterrichts eines in Ostbelgien anerkannten Mangelberufs.

Nicht zu vergessen ist der zweite Schritt: die Beantragung des Darlehens. Jährlich kann dieses beantragt werden. Neben der Ausbildungswahl gilt es eine weitere Bedingung zu erfüllen, um das Darlehen zu erhalten. Insbesondere bei Medizin- und Zahnmedizinstudenten ist der Wohnort ausschlaggebend. Um Anrecht auf das erwähnte Darlehen oder Stipendium zu haben, muss der Antragsteller zum Zeitpunkt der ersten Antragstellung seit mindestens sechs Monaten in der Deutschsprachigen Gemeinschaft wohnen.

Nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung oder des Studiums wird von den Absolventen erwartet, dass sie in Ostbelgien arbeiten. Dann wird der Nutzen dieses neuen Systems auch für die Gesellschaft wirklich spürbar. Wer in den 10 Jahren nach seinem Studium oder seiner Ausbildung mindestens 5 in der DG gearbeitet hat, darf das in den Jahren zuvor erhaltene Geld behalten. Jeder, der diese Bedingung erfüllt, leistet einen maßgeblichen Beitrag für das Wohl Ostbelgiens und aller Ostbelgier.

Gleichwohl ist festzuhalten, dass die Darlehensnehmer nicht zwingend den erlernten Beruf ausüben müssen. Sie können sich auch umorientieren und einen anderen Beruf ausreichend lange in Ostbelgien ausüben.

Denn einerseits es ist möglich, dass der Mangelberuf nach Abschluss der Ausbildung nicht mehr zu den Mangelberufen zählt oder keine freie Stelle mehr zur Verfügung steht.

Und andererseits ist nicht auszuschließen, dass der Beruf einem nach Erhalt des Abschlusses nicht mehr zusagt. Keinen sollte man dann zwingen, einen Beruf auszuüben, der ihm nicht liegt. Denn das würde sicherlich nicht zu gut ausgeführter Arbeit und zu einem guten Klima führen. Und somit wäre es vielleicht sogar mit Blick auf die Bekämpfung des Fachkräftemangels schädlich, jemanden aufgrund seines Abschlusses gegen seinen Willen zur Ausübung eines Berufs zu drängen.

Ich wiederhole aber gerne an dieser Stelle: Jeder, der in Ostbelgien arbeitet, in gleich welchem Beruf, leistet einen maßgeblichen Beitrag für das Wohl Ostbelgiens und aller Ostbelgier.

 

Gesellschaftlich gesehen kann man also durchaus davon ausgehen, dass in Zukunft in der Deutschsprachigen Gemeinschaft das Stipendiensystem dazu beiträgt, dass weiterhin eine gute Pflege, gute Bildung und gutes Handwerk angeboten werden können. Dies sind alles Dienstleistungen, welche jeder Einwohner unserer Gemeinschaft irgendwann mal in Anspruch nimmt und benötigt.

Obschon wir uns weitere Maßnahmen erhoffen, durch die dem Fachkräftemangel in der DG entgegengewirkt werden soll, ist das neue Stipendiensystem bereits ein wichtiger Schritt.

Im neuen Stipendiensystem sehen wir eindeutig Vorteile. Und deswegen werden wir als SP-Fraktion dessen Einführung zustimmen.

Und damit das Instrument auch in einer weiteren Phase noch stärker genutzt werden kann, werden wir uns dafür einsetzen, dass die angekündigte Ausweitung schnellstmöglich und bestmöglich umgesetzt wird.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit