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Rechnungshofbericht: COVID-19-Ausgaben in der DG

Plenum des PDG vom 20. Juni 2022

Rede von Herrn Patrick Spies zum Prüfungsbericht des Rechnungshofs über die in der Deutschsprachigen Gemeinschaft als Folge der Covid-19-Krise getätigten Ausgaben

Sehr geehrter Herr Präsident,
werte Kolleginnen und Kollegen aus Regierung und Parlament,

das Parlament beauftragte den Rechnungshof, eine Prüfung der von der Regierung ergriffenen Maßnahmen zur Bewältigung der COVID-19-Krise durchzuführen. Der Berichterstatter schilderte den Prozess, der jedem Abgeordneten bereits ausreichend Möglichkeiten gab, sich mit den technischen Aspekten zu beschäftigen. Jeder Abgeordnete konnte sowohl den Auditoren als auch der Regierung und den Fachbereichsleitern Fragen stellen.

Im Rahmen der heutigen Aussprache sollte es aus unserer Sicht daher nicht mehr allzu technisch werden. Wichtig ist vor allem, was wir mit den Informationen machen. Welche Informationen können wir dem Bericht entnehmen? Welche Lehren können wir daraus ziehen?

Es wurden die unterschiedlichsten Ausgaben geprüft. Im Bericht finden wir zwei Teile: Erstens enthält er thematische Analysen in Bezug auf die wirtschaftlichen Unterstützungsmaßnahmen. Zweitens wurde geprüft, ob bei öffentlichen Aufträgen stets die betreffende Gesetzgebung eingehalten wurde.

Betreffend der Unterstützungsmaßnahmen betonte die SP-Fraktion bereits mehrfach deren Wichtigkeit. Noch in meiner heutigen Rede zum Haushalt erinnerte ich daran. Ziel dieser Unterstützung war es, den Unternehmen dabei zu helfen die Krise bestmöglich zu überstehen. Gleichzeitig haben die an Privatpersonen gerichteten Maßnahmen zusätzlich dazu beigetragen, jene Personen zu unterstützen, die Hilfe benötigten.

Insgesamt handelt es sich bei den Unterstützungsmaßnahmen, die der Föderalstaat, die Gemeinschaften und Regionen getroffen haben um nicht weniger als 433 Maßnahmen an der Zahl. Finanziell gesehen wurden dafür horrende Summen ausgegeben. Jedoch zurecht, um einen Einbruch unserer Wirtschaft zu verhindern. Hätten wir diese nicht mit beschlossen, läge unsere Wirtschaft heute am Boden.

Jede Gemeinschaft und jede Region konnte selbst im Rahmen ihrer Zuständigkeiten sozioökonomische Maßnahmen beschließen, um jene des Föderalstaats zu vervollständigen. Ja, so beschlossen wir neben Unterstützungsmaßnahmen über die Gemeinden für Unternehmen auch beispielsweise erhöhte Ausfallentschädigungen für Tagesmütter. Über deren Wichtigkeit herrscht in diesem Hause ja weitestgehend Einigkeit.

In Anbetracht unserer Autonomie hatten wir demnach durchaus einige Hebel in der Hand, um passgenaue Maßnahmen zu beschließen.

Global gesehen ist die Feststellung des Rechnungshofs jene, dass in Ermangelung einer globalen Konzertierung der sozioökonomischen Unterstützungsmaßnahmen, ich zitiere: „das Risiko einer übermäßigen oder unzureichenden Bezuschussung gestiegen sei.“ Jedoch erklärte der Rechnungshof auch, dass man in der Deutschsprachigen Gemeinschaft dieses Risiko habe verringern können. Wie?

Durch informelle Kontakte mit anderen Regierungsebenen und durch einen Rückgriff auf bestehende Datenbanken.

Hier zeigt sich also, wie wichtig gute Kontakte sind.

Der Bericht bestätigt darüber hinaus, dass die Deutschsprachige Gemeinschaft in der Lage war, bereits ab dem Frühjahr 2020 auf eine „neuartige Situation“ zu reagieren. Dies obwohl unsere Einrichtungen selbst von der Gesundheitskrise und den damit einhergehenden Maßnahmen und Personalausfällen betroffen waren. Hier möchte ich daher erstmal ein Lob an das gesamte Personal aussprechen, das sehr Großes leistete, um zum guten Gelingen der Krisenbekämpfung beizutragen.

Die Situation war für alle neu. Wenngleich man in der Vergangenheit bereits mit anderen Krankheiten und Epidemien konfrontiert war, so war es dennoch keineswegs einfach, mit den neuen Gegebenheiten umzugehen. Immerhin hatten wir es mit einem unsichtbaren, vor allem aber auch unberechenbaren Virus zu tun. Die Deutschsprachige Gemeinschaft musste wie andere Gliedstaaten und der Föderalstaat gezielt, effizient und auch immer wieder schnell reagieren. Dazu zwangen uns immer wieder neue Erkenntnisse und Entwicklungen.

In Anbetracht der rasanten Ausbreitung mussten auf Empfehlungen schnell Entscheidungen folgen und diese galt es dann im Eiltempo umzusetzen. Wie Sie alle wissen, ist dies keineswegs in der Politik oder in öffentlichen Einrichtungen immer so üblich. Obendrein hat unser Parlament eine Vorgehensweise, die eigentlich nur eine begrenzte Verfügbarkeit der Abgeordneten voraussetzt. Anders als auf regionaler und föderaler Ebene sind wir ja immerhin keine Vollzeitpolitiker.

Doch ein Virus tut uns nicht den Gefallen, zu warten. So mussten wir zeitweise über die Grenzen der eigentlichen Gepflogenheiten unseres Parlaments hinausgehen. Der parlamentarische Disput, der das Herzstück einer Demokratie bildet, das Informieren der Mandatare und der Austausch mit ihnen konnte so in der gesamten Zeit stattfinden.

In der Entscheidungsfindung sowie in der Umsetzung der Maßnahmen wurde maximale Effizienz angestrebt. Es sollte so viel wie möglich dessen, was wir ausgaben, auch schnell und unkompliziert beim Bürger ankommen. Dies führte zunächst unausweichlich dazu, dass vielleicht auch der ein oder andere etwas mehr erhielt, als er streng genommen benötigte. Dies ist bedauerlich und wird auch vom Rechnungshof bemängelt. Fakt ist aber: in Ostbelgien erhielten Betriebe nicht erst dann Geld, wenn ihnen das Wasser bereits bis zum Hals stand. Nein, wir haben auch vorgesorgt und damit Liquiditätsprobleme von vorneherein verhindert.

Zudem attestiert der Bericht, dass wir bei der Bewältigung des gesundheitlichen und wirtschaftlichen Notstands auch die nötige Selbstreflexion an den Tag gelegt haben. Die Deutschsprachige Gemeinschaft habe ihre Maßnahmen analysiert. Dies zeigten die regelmäßigen Anpassungen des Krisendekrets. „In der Not schnell geholfen, dann gezielt und bedarfsgerecht unterstützt“ könnte hier also das Fazit lauten.

Nun aber zum Wesentlichen: Nämlich zu der Frage ob wir in Zukunft besser handeln können?

Die Antwort ist klar: Ja, selbstverständlich.

So beispielsweise in Bezug auf die Zusammenarbeit mit den anderen politischen Entscheidungsebenen. Denn solange wir einem so komplexen Staatsgefüge unterliegen, muss zumindest für die Bevölkerung eine maximale Transparenz angestrebt werden.

Jede Privatperson und jedes Unternehmer muss die Möglichkeit erhalten, sich zentral, schnell und einfach darüber zu informieren, welche Unterstützungen ihm zustehen – idealerweise unabhängig davon, wer diese beschlossen hat.

In Zukunft, so empfiehlt der Rechnungshof, sollte auch die Gewährung von sozioökonomischen Maßnahmen davon abhängig gemacht werden, dass die Antragsteller eine Bedürftigkeit nachweisen. Wichtig ist uns schlussendloch, dass allen Bedürftigen geholfen wird.

Mit dem Einführen von Kontrollen können wir uns darüber hinaus auch einverstanden erklären. Wenngleich auch in Zukunft in unseren Augen auf die Verhältnismäßigkeit zwischen der gewährten Unterstützung und dem Aufwand der Kontrolle geachtet werden muss. Im Hinblick darauf gewinnt dann auch der Austausch von Informationen an Bedeutung. Und die Bürger müssen bei Bedarf Unterstützung für die Antragstellung erhalten. Bürokratischer Mehraufwand darf nicht dazu führen, dass Bürger durch das Raster fallen.

In Bezug auf die öffentlichen Aufträge sollte man gleich mehreres nicht außer Acht lassen. Insbesondere die Notstandssituation hat hier eine entscheidende Rolle gespielt. Ebenso die Tatsache, dass wir es mit einer neuen, uns unbekannten Krankheit zu tun hatten. So beginnt auch dieser Teil des Berichts mit der Aussage des Auditors des Rechnungshofs: „Die Gesundheitskris
e ist eine besondere Situation, die den Rückgriff auf außergewöhnliche Vergabeverfahren rechtfertigt hat.“

Zur klassischen Prozedur für öffentliche Aufträge gehört natürlich das Einholen mehrerer Angebote, die dann betrachtet und analysiert werden müssen, bevor sich für eines entschieden wird. Dies trägt zur gerechten Funktionsweise einer Demokratie bei. Jedoch trägt dies nicht immer auch zur Effizienz bei, die in einer Krisensituation benötigt wird. Die Regierung musste also durchaus die gewohnten Pfade verlassen. Und dennoch hielt man sich natürlich an die Gesetzgebung. So konsultierte man beispielsweise für das Errichten von Impfzentren mehrere Lieferanten. Jedoch war die Auswahl derer, die den vom Föderalstaat festgelegten Anforderungen hätten nachkommen können, äußerst gering.

Was sagt der Bericht des Rechnungshofs dazu?

„Aufgrund der äußerst dringenden und besonderen Umstände, unter denen die Beschaffungen hätten getätigt werden müssen, habe die Deutschsprachige Gemeinschaft bestimmte Schritte des Vergabeverfahrens manchmal nicht ausreichend oder gar nicht dokumentiert bzw. begründet.“

Hier ist die Feststellung des Rechnungshofs also, dass die bürokratischen Prozeduren nicht immer eingehalten wurden. Jedoch liefert der Bericht selbst im nächsten Satz bereits die Begründung: „Die äußerst schwierigen Umstände und die Dringlichkeit erforderten einen gewissen Pragmatismus und eine gewisse Flexibilität.“

In zwei Sätzen unsere Schlussfolgerung zu diesem Thema: Bürokratische Vorgehensweisen wurden zeitweilig in gewissen Fällen nicht eingehalten. Begründen kann man dies aber mit den Umständen, die ein schnelles und effizientes Handeln erforderten.

Der Rechnungshof kritisiert dann auch nicht die Vergabeart selbst, sondern nur die Tatsache, dass damals die Feststellung der Notwendigkeit der angewandten Vorgehensweise nicht ausreichend dokumentiert worden sei.

Mit dem uns vorliegenden Bericht werden also die Gründe für Abweichungen klar dargelegt. Man kann für die Vorgehensweise Verständnis haben.

 

Es sind natürlich noch viele weitere Elemente in dem Bericht enthalten. So werden auch die gute Zusammenarbeit zwischen der Regierung und dem Parlament sowie die Versammlungen der Fraktionsvorsitzenden hervorgehoben. Diese tagte immerhin mehr als 60 Mal.

Die Krisendekrete wurden dadurch im Allgemeinen von einer sehr breiten Mehrheit der Abgeordneten mitgetragen.

Was nun die Kritik des Rechnungshofes an der Zusammenarbeit zwischen der Regierung und Gemeinden betrifft, so teilen wir als SP-Fraktion diese nicht ganz.

In Ostbelgien herrscht seit jeher eine sehr enge Vertrauensbeziehung zwischen den Gemeinden und der Gemeinschaft. Und dieses hat sich ohne Zweifel über die Jahre hinweg bewährt.

Wir haben den Gemeinden daher ganz bewusst einen großen Handlungsspielraum gegeben.

Werte Damen und Herren,

Kritik kann man sicherlich äußern, doch sie bringt uns nicht weiter, wenn sie nicht mit konstruktiven Vorschlägen einhergeht. Und das desaströse Bild, das so mancher gerne schildert, entspricht keineswegs dem vorliegenden Bericht. Denn dieser ist da wesentlich nuancierter. In so gut wie allen Punkten äußerst der Rechnungshof zumindest ein gewisses Verständnis für das Handeln der Regierung in der akuten Notsituation, die wir alle hautnah miterlebt haben. Und auch einige Stärken des Handelns der Deutschsprachigen Gemeinschaft werden hervorgehoben.

Ich werde hier nicht auf jedes im Bericht enthaltene Element eingehen können. In unseren Augen ist vor allem wichtig, dass sich jeder Abgeordnete und die Regierung den Bericht genauestens anschauen, um daraus die entsprechenden Schlussfolgerungen ohne unnötige Polemik zu ziehen. Dies sollte sachlich und im Sinne der Verbesserung der Prozeduren für zukünftige Krisensituationen geschehen.

Der Bericht hat erst dann einen Nutzen, wenn wir es schaffen, daraus einen Leitfaden für zukünftige Krisen zu entwickeln. Dabei müssen die sachlich begründeten Feststellungen und Empfehlungen in Einklang mit der Realität in Ostbelgien Berücksichtigung finden.

Abschließend sollte auch noch erwähnt sein, dass die Deutschsprachige Gemeinschaft bereits während der Pandemie ihre eigene Vorgehensweise stetig optimiert hat. Fokussieren sollten wir uns also bitte nicht einzig und allein auf die Fehler die gemacht wurden, sondern auf die Lehren, die wir daraus ziehen können.

Und dabei möchte ich es für heute belassen und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit !

https://www.youtube.com/watch?v=O58Nfg40WmQ