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Orientierungsnote zum Dekret Wohnungswesen

Plenarsitzung des PDG vom 22. Mai 2023

Redebeitrag von Herrn Karl-Heinz Lambertz zur Orientierungsnote zum Dekret Wohnungswesen – Dokument 232 (2022-2023) Nr. 2

Sehr geehrter Herr Präsident,

werte Kolleginnen und Kollegen aus Parlament und Regierung,

auch ich möchte vorab die heutige Debatte einordnen. Wir führen keineswegs eine Diskussion über ein Dekret, das zwar angekündigt, aber noch nicht vorgelegt wurde. Der Inhalt unserer Aussprache ist ein anderer. Es geht darum, Weichen zu stellen. Das bedeutet, sich dem Thema anzunähern, die Temperatur zu messen und zu schauen, in welche Richtung wir hier in Ostbelgien in dieser so wichtigen Frage in Zukunft weiterkommen möchten. Nachdem wir eine Erfahrung mit einer Orientierungsnote in Sachen Raumordnung gemacht haben, haben wir erneut ein solches Dokument vorliegen. Obschon das eigentlich keine Pflicht der Regierung ist, uns Orientierungsnoten vorzulegen, ehe sie zu der Formulierung von Dekretentwürfen schreitet. Es ist jedoch sehr sinnvoll das zu tun, denn dies erlaubt nach Gemeinsamkeiten zu suchen und sich die Frage zu stellen, was sind die besten Lösungen? Welche Ideen sind brauchbar und welche sind problematisch? Und das ist etwas, was man nicht ein für allemal verkünden kann, sondern das setzt eine ziemlich intensive Diskussion und einen Dialog voraus. Und den Dialog hat es ja im Vorfeld dieser Orientierungsnote schon in vielfältiger Weise gegeben. Es hat die Arbeitsgruppe mit den Akteuren gegeben, die zwei Jahre lang an einem Text gearbeitet hat und es gab nicht zuletzt den Bürgerdialog, der „just in time“ kam, zu dem Zeitpunkt als wir uns hier mit dem Thema Wohnungsbau anfingen intensiver zu beschäftigen. Deswegen ist es eine besonders gute Erfahrung für unser Modell ,,ostbelgischer Bürgerdialog“ gewesen. Es war folgerichtig, die Vertreterinnen und Vertreter des Bürgerrates und Bürgerdialogs nicht nur indirekt einzubeziehen, sondern ihnen auch die Möglichkeit zu geben, sich an den konkreten Diskussionen, also im Ausschuss selbst einzubringen. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Der Bericht der vorliegt ist ein ausführlicher Bericht von 170 Seiten, wobei die Seitenzahl nicht immer das Entscheidende ist. Hier steht sehr viel inhaltsreiches drin und ebenso wie man sich über diese Vielfalt und Umfänglichkeit der verschiedenen Standpunkte freuen kann, ist es ebenfalls erfreulich, dass es dem Ausschuss gelungen ist, zu jedem der Kernthemen eine relativ kurzgefasste Schlussfolgerung zu formulieren. Eine Schlussfolgerung, in der die Sachen auch auf den Punkt gebracht werden und angedeutet wird, in welche Richtung sich dieses Parlament, die Gesetzgebungsarbeit nun im Einzelnen vorstellen kann zu gehen.

Kolleginnen und Kollegen,

bezahlbarer Wohnraum ist eine wesentliche Voraussetzung, eine der wesentlichsten Voraussetzungen überhaupt, für menschenwürdiges Leben. Überall in der Welt und auch hier in Ostbelgien. Ein angemessenes Dach über dem Kopf beeinflusst ganz entscheidend die Lebensqualität der Menschen und deshalb ist es wichtig, dass wir in dieser uns jetzt seit 2020 übertragenen Zuständigkeit auch die richtigen Entscheidungen treffen und eine wirklich passgenaue Lösung für unsere ostbelgische Heimat ausarbeiten. Der bezahlbare Wohnraum ist natürlich immer eine Gleichung mit zwei Unbekannten. Ich habe es zu meiner Schulzeit gehasst, mit Algebra-Gleichungen zu tun zu haben, in denen es zwei Unbekannte gibt. Und hier ist das ebenfalls der Fall. Eine Unbekannte sind die Baukosten und die können von vielen Dingen abhängen. Die können unter anderem von Vorgaben im Energiebereich abhängen, aber auch von vielen anderen Elementen. Die andere Unbekannte ist das Einkommen derjenigen, die bauen. Auch das kann sehr unterschiedlich sein und wichtig ist, dass es für jeden Menschen eine Möglichkeit gibt, in einen bezahlbaren Wohnraum zu gelangen. Sei es indem er Eigentümer wird oder sei es indem er eine Miete zahlen kann. Und hier ist natürlich der Hauptfaktor der freie Markt. Der Wohnungsmarkt ist ein sehr wichtiger. Die Immobilienindustrie ist auch hierzulande bedeutend. Aber so wichtig der Markt auch sein mag, alleine kann er das Thema nicht richten. Im Gegenteil, der Markt kann insbesondere wenn es Preisdruck gibt, zu ganz fürchterlichen Verwerfungen führen, die selbst Menschen, die ein „normales” Einkommen haben, den Weg zu einem bezahlbaren Wohnraum unmöglich macht. Das gilt in großen Städten auf dramatische Art und Weise. Um dies zu erläutern sollte man sich anschauen, was um München oder Brüssel herum los ist. Aber das gilt auch in Regionen wie der Unsrigen, wo wir ja noch relativ bescheidene Entwicklungen in diesem Bereich haben. Es ist also sehr wichtig, dass die staatliche Ebene die Rahmenbedingungen richtig setzt und auch die passgenauen Fördermaßnahmen entwickelt. Und das ist nur wahrhaftig eine Gemeinschaftsaufgabe. In vielfältiger Weise. Hier sind zuerst einmal verschiedene Entscheidungsebenen ganz konkret gefordert – die Europäische Union. Wir sprachen eben von den Vorgaben im Energiebereich für Bauten in den kommenden Jahren und Jahrzehnten. Die deutschen Fernsehsendungen können sich gar nicht mehr retten vor Debatten in diesen Bereich, aber ich möchte jetzt keine Äußerungen über die Qualität der Regierungsarbeit in Deutschland machen. Das ist nicht angemessen, denn wir haben genug vor der eigenen Tür zu kehren. Da ist auch der Staat gefordert oder die wallonische Region und deshalb ist es auch sehr wichtig, dass wir die Resolution in Sachen Steuerfragen, die wichtigen Dimensionen des Wohnungsbaus betreffen, heute hier zeitgleich mit dieser Debatte verabschieden. Auch aus meiner Sicht und der Sicht der SP-Fraktion kann ich die Unterstützung zu dem was wir dann letztlich als Forderungen an den Föderalstaat und an die Wallonische Region erhoben haben, ungeteilt zum Ausdruck bringen. Es ergibt Sinn, durch eine gezielte Steuerpolitik, Bautätigkeiten zu unterstützen. Eine Gemeinschaftsaufgabe ist das Ganze aber auch, weil verschiedene Behörden gefordert sind. Das gilt hierzulande für die Deutschsprachige Gemeinschaft, aber auch und ganz prioritär für die Kommunen die eine besonders wichtige Aufgabe einnehmen. Das gilt für die wirtschaften und für die gesamte Bevölkerung. Und eine Gemeinschaftsaufgabe ist es auch deshalb noch, weil verschiedene Politikbereiche betroffen sind, natürlich der Wohnungsbau, aber auch die Energiepolitik, die Raumordnung und die Sozialpolitik, um gewisse Zuständigkeiten unserer Gemeinschaften beim Namen zu nennen oder auch regionale Zuständigkeiten, die heute noch bei der wallonischen Region angesiedelt sind. Das bedeutet Umweltpolitik oder Mobilitätspolitik. Wenn man in die Tiefe des Themas hineinsteigt, dann entdeckt man viele Argumente, um eine Ausdehnung der Zuständigkeiten auf weitere Bereiche zu begründen, aber das ist heute hier nicht das Thema. Wichtig ist heute, dass uns diese Debatte auf der Grundlage der Regierungnote dabei hilft, für Ostbelgien eine maßgeschneiderte Wohnungsbaupolitik zu konzipieren.

Wie immer bei neuen Zuständigkeiten haben wir Maßnahmen ergriffen. Die Schaffung einer einzigen öffentlichen Wohnungsbaugesellschaft war nicht einfach, aber eine ganz wichtige Maßnahme. Wir haben auch ebenso großen Bedarf daran, uns die Gegend sehr genau anzuschauen und da gibt es bedeutende Unterschiede zwischen der sehr dünn besiedelten Eifel mit ihren rund 120 Dörfern und dem dichter besiedelten Norden, wo es bedeutend weniger, nicht einmal 20 Ortschaft gibt. Da kann man nicht die gleiche Wohnungsbaupolitik führen, da haben wir eine große Chance passgenau vorzugehen. Und wir brauchen auch, um das umsetzen zu können, klare Zielvorlagen auf der Grundlage von verlässlichem Datenmaterial. Das betrifft die Flächennutzung, den demografischen Wandel pro Ortschaft, die Energiestandards und viele andere Dinge mehr, die wir erfassen müssen. Das ist die einzige richtige Maßnahme die wir ergreifen müssen,  wenn wir da realitätsbezogen arbeiten wollen. Darüber hinaus brauchen wir Zusammenarbeit zwischen dem öffentlichen und privaten Sektor, ebenso wie eine wirkliche Koordination und gemeinsame Aktion aller Akteure, ob das die ÖWOP, die Sias oder die Gemeinden sind. Was wir auf keinen Fall brauchen können, ist ein hin und her schieben der vermeintlichen Probleme von der einen zur anderen Ortschaft oder dem einem zum anderen Instrument. Hier muss gemeinsam und intensiv gearbeitet werden, denn nur so kann man auch etwas erreichen. Um voranzukommen braucht es Gleichgewichte zwischen Eigentum und Miete, zwischen Einwanderung auf dem Wohnungsmarkt und Auswanderung, bei der sozialen Durchmischung der Siedlungsstrukturen, denn wir wollen auf keinen Fall Ghettos und wir brauchen auch eine ausgewogene Verteilung zwischen den Ortschaften, wobei natürlich Zentralorte eine gewisse Anziehungskraft haben, die man auch nicht wegorganisieren kann. Die Orientierungsnote erlaubt Weichenstellung bei der Bedarfsanalyse, bei den Investitionen, wo es darauf ankommt, massiv und klug zu investieren, aber auch dafür zu sorgen, dass wir einen Teil dieser Investitionen außerhalb der Konsolidierungsregeln der Europäischen Union machen können. Ein Kernstück werden die Vergabekriterien sein, da wollen wir drei Dimensionen auf eine vernünftige Art und Weise kombinieren. Die soziale Bedürftigkeit, lokale Verlagerung, die Durchmischung der Wohngebiete. Das ist nicht einfach, aber wichtig. Wir brauchen eine richtige Begleitung, sowohl im sozialen Bereich einen Teil der Menschen, die in diesen Wohnungen leben, haben eine Begleitung nötig und wir brauchen eine gut organisierte Hausmeisterfunktion, damit das in diesen Siedlungen so verläuft, wie es unter normalen und guten Bedingungen der Fall ist. Und wir brauchen auch den Wohnungsparcours, wenn man eine Sozialwohnung nur zeitlich begrenzt bekommt und dann schaut wie man weiterkommt. Entweder als Mieter im freien Markt oder als Besitzer, oder Eigentümer einer Wohnung. Dann muss da eine Menge von vornherein an Wohnungsbegleitung gemacht werden. Das sind große Herausforderungen und die sind in den nächsten Monaten und Jahren dann auch vor allem für all die Akteure wichtig, die sich da auf dem Gebiet des Wohnungsbaus bewegen. Wir können bei der Mietberechtigung und Mietverträgen eine Menge an interessanten Verbesserungen durchführen, Flexibilisierungen umsetzen und es ist natürlich sehr interessant, innovativ zu sein. Wir sollten uns alles anschauen, was an Interessantem gemacht wird. Das kann in der unmittelbaren Umgebung oder weiter weg sein. Ich denke etwa an Bundesländer in Österreich, die wirklich Pionierarbeit geleistet haben und an vielen anderen Stellen sonst noch. Wichtig ist, dass wir uns jetzt auf den Weg begeben, dass wir den Denkprozess, den wir jetzt begonnen haben, fortsetzen und dass der dann in einen möglichst großen Konsens, aber Einstimmigkeit wird es sicherlich nicht geben können, zu einem neuen gesetzlichen Rahmen für den Wohnungsbau führt. Da sind mir persönlich zwei Dinge wichtig. Wir müssen dafür sorgen, dass es im Sozialwohnungsbau eine starke Reduzierung der Fehlbelegungen gibt. Darüber hinaus brauchen wir eine wirkliche Durchmischung und wir sollten niemals aufgeben, uns dafür einzusetzen, dass sich hierzulande vor allem junge Familien ein Eigenheim leisten können. Hier sind wir ganz besonders gefordert, originelle Wege einzuschreiten und warten mit Spannung darauf, was jetzt anstehen wird. Also das, was die Regierung uns auf den Tisch legt, wenn es darum geht, das neue Dekret dann zu hinterlegen und da werden wir sicherlich ausführlich die Gelegenheit haben, die heutige Diskussion und die verschiedenen Gedanken, die formuliert wurden, nochmal im Einzelnen weiter zu diskutieren.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!