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Kommentar: Die Demokratie siegte in Georgia

Noch nie trug die demokratische Partei in den USA ihren Namen so gut wie heute. Diese Woche endete ein Duell um zwei Senatsplätze. Auf der einen Seite Jon Ossof und Raphael Warnock, auf der anderen Seite Kelly Loeffler und David Perdue. Dabei ging es um viel mehr.

Dieses Duell war in vielerlei Hinsicht mehr als ein Kampf um zwei Sitze im Senat. Zum einen sollten diese beiden Sitze die Machtverhältnisse im Senat und somit die Möglichkeiten, Politik in den USA zu gestalten, erheblich verändern. Zum anderen brachte die Einmischung von Trump, Biden und Obama zusätzliche Brisanz in diese Wahl. Joe Biden und Donald Trump waren beide noch Montag in Georgia. Sie und ihr Verhalten während, aber vor allem nach ihren eigenen Wahlkämpfen, waren zum großen Teil bestimmend für die Wahl in Georgia.

Joe Biden, der ruhige, erfahrene Politiker, gewann seine Wahl am 3. November mit einem moderaten, aber progressiven Programm.

Donald Trump ist der vielleicht selbstbewussteste US-Präsident aller Zeiten. Das Volk liebt ihn – angeblich – so sehr, dass eine Niederlage des „großen“ Trump in seinen Augen unmöglich ist. Deswegen kann er bis heute nicht glauben, dass er verloren hat und spricht weiterhin – ohne Belege zu liefern – von einer „gestohlenen“ Wahl.

Nach seiner Niederlage debattierten Experten darüber, inwiefern diese, aber vor allem sein anschließendes Verhalten und seine offenkundige Unterstützung für die beiden republikanischen Kandidaten, die Senatswahl beeinflussen würden.

Ob Donald Trump den republikanischen Kandidaten einen Gefallen tat, indem er sie nach seiner Niederlage unterstützte, bleibt bis heute fraglich. Sicher ist aber, dass dadurch der Wahlkampf eine noch größere symbolische Dimension annahm. Es war nun mehr als ein Duell um zwei mehrheitsbestimmende Sitze auch ein symbolischer zweiter Präsidentschaftswahlkampf. Hätten die Republikaner gewonnen, hätte Donald Trump dies als Hinweis auf einen Betrug bei den letzten Präsidentschaftswahlen gedeutet. Obwohl die Bevölkerung in Georgia sicher nicht repräsentativ für die gesamte amerikanische Bevölkerung ist, hätten zahlreiche Bürger dieser Argumentation Glauben geschenkt. Obwohl er sich angeblich einer extrem großen Beliebtheit bewusst war, wollte er nichts dem Zufall überlassen. So schreckte er nicht einmal davor zurück, den Verantwortlichen für die Durchführung der Wahl zum „Finden“ von Stimmen aufzurufen. Das ist inakzeptabel und demokratiegefährdend! Wie kann ein amtierender Präsident denjenigen, der für die Durchführung einer Wahl zuständig ist, zur Manipulation aufrufen?

Wer in Georgia an die Demokratie glaubte, dem blieb somit keine andere Möglichkeit, als einen der Demokraten zu wählen. Denn ihre Gegner waren treue Anhänger Donald Trumps, der nicht an die Demokratie glaubt und sie sogar gefährdet. Beide Demokraten setzten sich am Ende durch!

Somit kann die Wahl in Georgia als ein Sieg der Demokratie bezeichnet werden! Die Demokratie war stärker als Wählerroutinen (in den letzten 20 Jahren stellte Georgia stets republikanische Senatoren), aber auch stärker als Parteiverbundenheit – der republikanische Verantwortliche für die Wahl entschied sich für die Wahrung der Demokratie und gegen den Manipulationswillen des ausscheidenden Präsidenten!

Wenngleich es demokratische Republikaner gibt, gehören die Wahlverlierer eher zu den Trump-Anhängern. Ebenso wie diejenigen, die nach Trumps Aufruf auch das Kapitol stürmten.

In dieser Woche siegte die Demokratie in Georgia, doch der Kampf der Demokratie geht in den USA weiter. Um sich von einem solch heftigen Angriff zu erholen, wird sie einige Zeit brauchen. Die Republikaner sind derweil gespaltener denn je. Während sie lange Zeit Donald Trump die Treue hielten, hört man vermehrt stimmen von kritischen Republikanern, wie dem Gouverneur von Maryland, der Trump vorwarf, die USA wie eine „Bananenrepublik“ aussehen zu lassen. Er appellierte, endlich „mit dem Unsinn aufzuhören“. Andere Republikaner äußerten sich ähnlich. Danach lenkte sogar Donald Trump ein – er verurteilte die „Gewalttaten“ und „Zerstörung“ und versprach, eine Reibungslose Machtübergabe. Ob er damit noch glaubwürdig bleibt, ist allerdings fraglich. In den nächsten Jahren werden vermutlich alle Vertreter der republikanischen Partei sich entscheiden müssen, ob sie sich für eine demokratische Republik oder für eine trumpsche „Bananenrepublik“ starkmachen wollen. Denn in einem Zweiparteiensystem kann nur eine starke, vereinte Partei, überleben.

Hoffen wir, dass sich die meisten Amerikaner auch in Zukunft für die Stärkung der Demokratie entscheiden werden! In einer Demokratie wählt das gesamte Volk seine Vertreter. Somit reicht es nicht, auf einen starken Rückhalt in der Bevölkerung zurückgreifen zu können, wenn die Mehrheit sich anders entscheidet. Das Akzeptieren von demokratisch getroffenen Entscheidungen ist genauso wichtig wie die Verteidigung von Minderheiten und der Schutz der Schwächsten in der Bevölkerung.

In der Zwischenzeit sollte der letzte Sieg der Demokratie uns optimistisch stimmen, dass die USA sich mit ihrem baldigen Präsidenten Joe Biden und neuen Machtverhältnissen im Senat in die richtige Richtung entwickeln und sich auch die Beziehungen mit europäischen Ländern und der Europäischen Union wieder bessern werden! Gleichzeitig müssen wir in dem Geschehen einen Weckruf erkennen, der uns daran erinnert, wie gefährdet die oft für selbstverständlich gehaltene Demokratie ist – aber auch was die Stimmen von mutigen überzeugten Demokraten bewegen können, wenn sie sich selbst treu bleiben und sich großen Herausforderungen stellen.

 

Quellen: