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Haushaltsdebatte: Redebeitrag Charles Servaty – Diskussionsrunde 1a

Plenum des PDG vom 12. Dezember 2022

Redebeitrag Charles Servaty, Vorsitzender der SP-Fraktion, zur Haushaltsdebatte zur allgemeinen Finanzpolitik, zu den Einnahmen und Ausgaben in Bezug auf verschiedene Bereiche von AI (Diskussionsrunde 1a)

Bereiche: Allgemeine Finanzpolitik, Einnahmen + Ausgaben [PDG, Regierung, MDG, Gemeinschaftszentren: OB01, OB10, OB20 (außer Pr. 14), OB40: Pr.18, OB70: Pr.00-02, 15, 23, 26 (Zw 12.11.+74.22)]

Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Mitglieder der Regierung,
werte Kolleginnen und Kollegen,

abermals wurde während der letzten Wochen in den einzelnen Fachausschüssen sehr rege über die verschiedenen Haushaltsdokumente informiert und diskutiert.
Dies vor dem Hintergrund, dass in Zeiten vermehrter heftiger weltweiter Krisen längst bekannt sein dürfte, dass auch die finanziellen Mittel der Deutschsprachigen Gemeinschaft leider nur begrenzt sind.

Dennoch sind wir zur Gestaltung unserer sozial ambitionierten und fortschrittlichen Politik auf haushaltspolitische Spielräume angewiesen.

Unser Ziel ist daher keine absolute Vermeidung von Anleihen oder Verschuldung.


Als SP-Fraktion vertreten wir vielmehr den Standpunkt, dass eine gewisse Verschuldung durchaus legitim ist, solange sie wohl dimensioniert und verkraftbar ist.

Wir fußen diese Haltung nicht zuletzt auf den guten Erfahrungen, die wir vor einigen Jahren mit den bedeutenden Investitionen in den Bereichen Bildung und Ausbildung oder Gesundheit und Soziales getätigt haben. Diese waren zwar größtenteils anleihefinanziert, haben sich aber als goldrichtig erwiesen, da sie wichtigen gesellschaftlichen Bedürfnissen Rechnung trugen noch zum finanzpolitisch strategisch günstigen Zeitpunkt erfolgten.

An dieser weitsichtigen und maßvollen Investitions- und Haushaltspolitik halten wir auch weiterhin fest.
Auch wenn wir unter dem allgegenwärtigen Einfluss der internationalen Krisen das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts in den laufenden Ausgaben auf 2025 verschieben mussten, sehen wir auch künftig bedeutende Mittel für die wichtigen zentralen Investitionen in unsere Zukunft vor. Beispiele dafür werde ich heute und in den nächsten Tagen in den Bereichen Raumordnung Wohnungswesen, Energie, Gesundheit, Soziales und Familie nennen. Gleiches werden meine Kollegin Kirsten Neycken-Bartholemy in den Bereichen Unterricht, Bildung und Ausbildung sowie mein Kollege Patrick Spies in den Bereichen Beschäftigung, Kultur, Jugend, Sport, Tourismus und Medien tun.

Dass die DG für diese ehrgeizige Herangehensweise nach wie vor über die erforderlichen Gelder und haushaltspolitischen Möglichkeiten verfügt, geht zum einen aus den hinterlegten Haushaltsentwürfen für die Jahre 2022 und 2023 und zum anderen aus der Finanzsimulation und der Sensitivitätsanalyse hervor. Beide richtungsweisenden Dokumente wurden im Beisein der Vertreter des Rechnungshofes eingehend erörtert.
Letztere ließen zudem deutlich durchblicken, dass die DG sehr wohl dazu berechtigt ist und aus gewissen strategischen Gründen auch gut daran tut, gewisse ihrer Ausgaben zur Finanzierung von Infrastrukturausgaben zu „neutralisieren“, wie dies im budgetären Jargon heißt. Laut Rechnungshof sei diese haushaltspolitische Praxis in Belgien weit verbreitet. Dass die DG nunmehr ebenfalls die Methode des „Neutralisierens“ anwende sei durchaus legitim, weil ansonsten für sie ein taktischer Nachteil entstehen könnte. Dies insbesondere im Falle von Verhandlungen auf belgischer Ebene zwischen dem Föderalstaat und den verschiedenen Gliedstaaten.

In der Tat muss die DG hellwach bleiben und sich mehr denn je auf die Zukunft vorbereiten. Dazu zählt nicht zuletzt die institutionelle Zukunft unseres Landes.
In diesem Zusammenhang begrüßen wir ausdrücklich einige der anlässlich des Jahresendempfangs der IHK und des ostbelgischen Arbeitgeberverbands getätigten Aussagen. So zum Beispiel, dass die Entwicklung hin zu einem Belgien zu viert alternativlos ist. Als SP-Fraktion und auch als amtierende Mehrheit haben wir uns diese Analyse schon längst zu eigen gemacht. Und auch wenn die damit verbundenen Erkenntnisse und Motivationen auf Seiten der Wirtschaft und der Politik nicht unbedingt deckungsgleich sind, uns freut diese klare und unmissverständliche Positionierung dennoch. Ebenso freut uns die positive Grundeinstellung, mit der der Blick konsequent nach vorne gerichtet wird. Letzteres indem u.a. die Überwindung der Flutkatastrophe als gutes Beispiel für einen realistischen und vorsichtigen Optimismus herangezogen wird. Noch mehr freut uns natürlich, wenn für das Meistern der aktuellen Dauerkrisen ein hohes Maß an sozialer Akzeptanz eingefordert wird. Ausdrücklich und gerne stimmen wir natürlich auch der Aufforderung zu, Ostbelgien zu einem „Chancenland“ zu machen, wo man aus gesellschaftlichem Konsens anerkennt, dass unser Wohlstand nur über die Schaffung von Mehrwerten generiert und gehalten werden kann.
Diese unsere Zustimmung ergibt sich schon alleine aus der Tatsache heraus, dass wir unsere Deutschsprachige Gemeinschaft schon seit geraumer Zeit als Mitmach-Gemeinschaft ansehen. Als eine Gemeinschaft, wo jeder sich einbringen und zum Wohle der Allgemeinheit zum Erreichen der wichtigsten Zukunftsziele beitragen kann.
In diesem Zusammenhang erinnere ich an unser Konzept des ostbelgischen Demokratiemodells.
Auch dessen Anspruch ist und bleibt es, die mittel-und langfristigen Voraussetzungen zu schaffen, damit es sich auch künftig am Standort Ostbelgien gut leben, wohnen und arbeiten lässt.
Hier erinnere ich an das Regionale Entwicklungskonzept (dritte Phase).
Und an den permanenten Bürgerdialog, für den unser Parlament federführend ist (vierte Phase).
Sowie an das ebenfalls langfristig angelegte Strategie-Konzept „Ostbelgien leben 2040“ (gleichsam mit breiter Bürgerbeteiligung).

 

Werte Kolleginnen und Kollegen,
es sind wahrlich schwierige Zeiten, in denen wir seit einigen Jahren leben und trotzdem weiter gestalten müssen.
Weltweit und auch in Ostbelgien. Wir erlebten eine Coronakrise. Diese konnten wir dank der Autonomie der Deutschsprachigen Gemeinschaft, der Entschlossenheit der Regierung und nicht zuletzt auch dank einer guten Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichen Fraktionen in diesem Hause relativ gut meistern. Wenngleich das Virus nicht ganz verschwunden ist, so lernten wir doch mit ihm zu leben.

Doch dann wurden auch bedeutende Teile Ostbelgiens von der Flutkatastrophe heimgesucht. In der Folge kam die Deutschsprachige Gemeinschaft den betroffenen Einwohnern und Gemeinden bestmöglich zu Hilfe, obschon sie nicht offiziell für den Katastrophenschutz zuständig ist.


Denn für uns gilt nach wie vor der Grundsatz: Können wir unserer Bevölkerung helfen, tun wir dies.

Auch wenn wir in dem einen oder anderen Fall nicht direkt dafür zuständig sind.
Wir begnügen uns nicht damit, unsere Menschen, Einrichtungen und Betriebe an andere Entscheidungsebenen weiter zu verweisen.

Darüber hinaus herrscht seit neun Monaten in Europa ein kaum mehr für möglich gehaltener Krieg, der sich unmittelbar und in vielfältiger Weise auf den Haushalt der DG niederschlägt.

Effektiv spiegeln die Folgen dieses Kriegs spiegeln sich in mehrfacher Hinsicht im Haushalt wider. In erster Linie richteten wir zügig Hilfsangebote für die geflüchteten Familien ein. Diese werden wir zum Teil auch noch länger aufrechterhalten müssen. Darüber hinaus folgten dem Krieg in der Ukraine drastische Steigerungen insbesondere der Energiepreise.


Und obschon die Krisen der vergangenen Jahre deutliche Auswirkungen auf den Haushalt haben, geht es der DG doch noch verhältnismäßig gut. Dabei weiß jeder, der auch zuhause sein Geld verwaltet, mit welchen Herausforderungen wir aktuell konfrontiert sind.

Tatsächlich haben die Krisen der vergangenen Jahre uns einiges abverlangt. Sowohl die gestiegenen Preise wie auch die gestiegenen Gehälter belasten das Budget der öffentlichen Hand schwer. Ja, nicht nur der Privatsektor hat mit den Preissteigerungen zu kämpfen. Und dennoch ist es unsere Aufgabe, gerade in diesen schwierigen Zeiten der Bevölkerung zur Seite zu stehen.

Daher setzen wir zahlreiche Vorhaben trotz notwendiger Einsparungen um. Um nur einige Beispiele zu nennen:

  • die Investitionen in die Verbesserung der Energieeffizienz, u.a. in die energetische Sanierung von 500 Sozialwohnungen, vor allem aber auch in die Energieprämien;
  • die weitere Unterstützung des soziokulturellen Sektors,
  • die massive Förderung des nicht-kommerziellen Sektors
  • die Gehaltssteigerungen im Pflegebereich,
  • das Stipendiensystem,
  • das Schulbauprogramm,
  • die Unterstützung der Gemeinden,
  • die Reformen der Raumordnung und des Wohnungswesens.

Einige Punkte wie die Erhöhung der Gehälter oder die Steigerung der Energieeffizienz sind übrigens wichtiger denn je.
Mit der Kaufkraft und der Gehälterfrage beschäftigte sich noch in diesem Monat eine repräsentative Umfrage verschiedener Medienhäuser.


Nachdem mehrfach Stimmen laut wurden, die eine Abschaffung der Lohnindexierung forderten, bekräftigte die SP stets die Wichtigkeit der Beibehaltung dieses Mechanismus.

Selbstverständlich belastet er den Haushalt schwer. Doch ist er äußerst wichtig für Arbeiter, Angestellte und auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den öffentlichen Diensten.


Die automatische Lohnindexierung ist der beste derzeit existierende Schutzmechanismus gegen Kaufkraftverlust.

Inzwischen beneiden uns weitere Länder um dieses ebenso einmalige wie ehrgeizige System. Dass dieser allein aber noch nicht ausreicht, war kürzlich dem Titel eines Grenzecho-Beitrags zu entnehmen, der da lautete: „Kostenexplosion verschlingt Effekte der Lohnindexierung“.

Umso wichtiger, dass wir beispielsweise das Stipendiensystem einführen, um jedem Interessenten ein Studium in der DG in besonders den Bereichen zu ermöglichen, die für unsere Standortentwicklung von Bedeutung sind und mitunter einen großen Personalmangel aufweisen; Stichwort „Fachkräftemangel“.

Werte Kolleginnen und Kollegen,

in zahlreichen Bereichen helfen wir sowohl der Bevölkerung Ostbelgiens als auch den lokalen Behörden. Hier denken wir insbesondere an die Zuständigkeiten Raumordnung, Wohnungswesen und Energie. Denn auf diesen Feldern spielt die zu erhaltende Bezahlbarkeit bekanntlich eine herausragende Rolle. Gleichzeitig dienen diese Bereiche der Nachhaltigkeit und dem Klimaschutzes. Doch dazu gleich mehr in unserer zweiten Diskussionsrunde am heutigen Tag.

Neben dem Klimaschutz, der energetischen Sanierung und der Bezahlbarkeit der Immobilien sind der SP-Fraktion bekanntlich weitere Themen besonders wichtig.
Hier denken wir derzeit besonders an die Unterstützung des soziokulturellen Sektors und an den Pflegebereich. Beide Sektoren lagen den Sozialdemokraten und Sozialisten stets am Herzen.

Wir begrüßen generell alle Maßnahmen, die das Portemonnaie unserer Mitbürger entlasten. Doch im Fall des soziokulturellen Sektors handelt es sich um einen Bereich, der per Definition die Unterstützung der öffentlichen Hand benötigt. Dies umso mehr, wenn man möchte, dass Kultur jedem zugänglich ist. Und diesen Anspruch hat die SP-Fraktion!

Gleiches gilt für den Pflegebereich. Hierauf können wir Mittwoch vertieft eingehen. Jedoch sollte schon in dieser ersten Haushaltsstellungnahme unmissverständlich klar sein, welche Wichtigkeit wir auch diesem Bereich beimessen.
Allerdings passt die einmalige Energiebeihilfe an das Psychiatrische Pflegeheim sowie an die Wohn- und Pflegezentren noch sehr wohl in diesen eher haushaltstechnischen Teil unserer Debatte. Diese stellt eine weitere willkommene Unterstützung für die betroffenen Einrichtungen dar.

Nicht anders verhält es sich mit den merklich erhöhten Dotationen an die Gemeinden und an die ÖSHZ.
In diesem Zusammenhang erinnere ich zudem an die neu eingerichtete Möglichkeit für die lokalen Behörden, bei der DG ein zinsloses Darlehen zu beantragen. Dieses soll für besonders wichtige Aufgaben zum Tragen kommen und ist an spezifische Bedingungen geknüpft.

Zudem hebe ich an dieser Stelle die eminent wichtige Unterstützung hervor, die die DG nicht nur den Gemeinden sondern auch anderen Einrichtungen und Trägern bei der Bewältigung der teilweise dramatischen Preissteigerungen – insbesondere als Folge der weltweiten Energiekrise – gewährt. Diese rasche und spürbare Unterstützung greift den genannten Partnern an der richtigen Stelle und zum richtigen Zeitpunkt unter die Arme. Sie sorgt gleichzeitig für eine bessere Planbarkeit der Vorhaben. Und zudem, um nur dieses Beispiel zu nennen, erleichtert sie den Gemeinden maßgeblich das Schnüren des kommenden Haushalts.

Was natürlich wiederum das Schnüren des eigenen DG-Haushalts deutlich erschwert.
Dabei war diese Aufgabe im aktuellen Kontext schon schwierig genug. Als SP-Fraktion begrüßen wir daher an dieser Stelle nochmals ausdrücklich die massive finanzielle Unterstützung, die wir mit diesem Haushalt dem nicht-kommerziellen Sektor zukommen lassen. Das stellt wirklich einen regelrechten Kraftakt dar. Allerdings war dieser auch erforderlich, um den genannten Sektor vor dem drohenden Ruin zu retten, dermaßen prasselten die schlechten konjunkturellen Nachrichten auf ihn herein.

Dass in diesem Zusammenhang die DG dennoch darauf achten konnte, auch künftig mit dem Einkommen auszukommen ist umso bemerkenswerter.
Auch wenn, dies mit den angekündigten Ausgabereduzierungen zum Beispiel im öffentlichen Dienst – sprich der Verwaltung – verbunden ist. Dessen ungeachtet wiederhole ich in diesem Zusammenhang sehr deutlich, dass die SP-Fraktion nach wie vor klar hinter dem öffentlichen Dienst DG, seiner Verwaltung und seinen Dienstleistern steht.
Wir legen nach wie vor großen Wert auf den Erhalt unseres umfassenden Dienstleistungsangebotes. Vor allem sind wir uns auch dessen bewusst, dass die enorme Dichte und Qualität dieser Dienstleistungen, von jeder einzelnen Mitarbeiterin und jedem einzelnen Mitarbeiter abhängt. Wir werden daher nicht zulassen, dass vorschnelle Urteile über einzelne Dienste oder Angestellte gefällt werden oder allzu massive personelle Einschnitte vorgenommen werden, die wertvolle Dienstleistungen aufs Spiel setzen könnten. Für uns darf die Verwaltung auf keinen Fall verallgemeinert an den Pranger gestellt werden. Sie ist für uns weder Prellbock noch Sündenbock!

Im Gegenteil, um weiterhin auf dieses reichhaltige Dienstleistungsangebot zurückgreifen zu können, müssen wir unsere Verwaltungen und öffentlichen Dienste mit den geeigneten finanziellen, technischen logistischen und nicht zuletzt auch personellen Mitteln ausstatten.
Denn eines sollte doch wohl jedem hier im Hause klar sein: diese Ausstattung kostet in gewisser Weise zwar das Geld des Steuerzahlers, ohne eine leistungsfähige Verwaltung erhalten die Bürgerinnen und Bürgern aber auch kaum etwas für ihre Steuern zurück.

 

Werte Kollegen und Kolleginnen,
die SP-Fraktion ist sich der schwierigen Zeiten bewusst, in denen wir leben.

Die SP-Fraktion hat aber vor, auch in Zukunft tatkräftig an Lösungen mitzuwirken, statt nur zu nörgeln. Wir gehen optimistisch, jedoch auch mit dem notwendigen Realismus in den Winter sowie in die kommenden Haushaltsjahre.
Wir behaupten trotz aller Krisen: In Ostbelgien lässt es sich gut leben, wohnen und arbeiten!

Ich danke für Ihre geschätzte Aufmerksamkeit!

Charles Servaty
Vorsitzender der SP-Fraktion

https://youtu.be/76v-ladwr3E