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Flutkatastrophe: Unterstützungsmaßnahmen in der DG

Plenum des PDG vom 20. Juni 2022

Rede von Frau Kirsten Neycken-Bartholemy zu den Unterstützungsmaßnahmen der Deutschsprachigen Gemeinschaft in Bezug auf die Flutkatastrophe

Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Mitglieder der Regierung,
werte Kolleginnen und Kollegen,

Ich kann mich sehr gut an die Situation vor fast genau einem Jahr erinnern. An das Telefonat mit meiner Mutter, die mir bereits mittwochs mitteilte, dass wir nicht mehr zu ihnen in den Ortsteil Nispert durchdringen konnten. „ Wir stehen zentimeterhoch im Wasser, das Wasser läuft hinten ins Haus rein und vorne wieder raus.“ So ähnlich waren ihre Worte. Auf mich wirkte das ziemlich unwirklich und verstörend. Erschreckenderweise verschlimmerte sich die Situation im Laufe der Stunden in ganz Eupen. Eine Katastrophe ist für Eupen das richtige Wort. Ein Bild der Verwüstung zeigte sich während der nächsten Tage und Wochen.
Ich habe als Privatperson sowie als Stadtverordnete zu diesem Zeitpunkt die Verzweiflung der Menschen spüren können.

Dank der Unterstützungen konnte vieles bereits wieder hergerichtet und aufgebaut werden. Die Bilder der Verwüstung werden uns aber nicht aus den Köpfen gehen. Und auch heute noch, Monate nach der Katastrophe stellt man fest, dass die Unterstadt leerer wirkt, das Freibad fehlt, Infrastrukturen zerstört sind und zahlreiche Privatpersonen, Betriebe, Unternehmer, Ehrenamtliche sowie die Stadt Eupen noch mit den Folgen zu kämpfen haben. Dies wird uns auch noch über einen längeren Zeitraum verfolgen.

Ich möchte zunächst, auch als Eupenerin,  meinen großen Dank allen Helfern aussprechen. Bevor die Politik überhaupt die Möglichkeit hatte, Unterstützungsmaßnahmen zu beschließen, kamen bereits die ersten Helfer. Menschen, wie du und ich. Menschen, aus der gesamten Deutschsprachigen Gemeinschaft, aber auch darüber hinaus. In Eupen spürten man eine enorme Solidarität und Hilfsbereitschaft.

Mitarbeiter der Gemeinde, Feuerwehrleute, Polizisten und andere Einsatzkräfte gaben alles, um jedem Betroffenen zu helfen. Manche waren ohnehin einsatzbereit. Andere waren im Urlaub und beschlossen kurzerhand, diesen abzubrechen, weil sie nicht aus der Ferne tatenlos zusehen konnten. Es erreichte uns auch für die ersten Aufräumarbeiten eine unglaubliche Welle der Solidarität. Menschen von überall kamen nach Eupen, um inmitten der Verwüstung zu helfen. All diesen Leute können wir nicht ausreichend danken. Unser Dank gilt dann auch jenen, die sich durch eine finanzielle Spende am Wiederaufbau unserer Dörfer und Städte und an der Unterstützung für die Betroffenen beteiligten. Wenngleich Eupen immer wieder nicht ohne Grund genannt wird, möchte ich auch die anderen Gemeinden wie Raeren, Lontzen, Kelmis, Sankt Vith und Burg-Reuland nicht vergessen, wo ebenfalls zahlreiche Einwohner persönlich hart getroffen wurden.

Sie schilderten, Herr Ministerpräsident, einige Beispiele. Und auch die eben genannten Zahlen machen das Ausmaß der Katastrophe deutlich. Über 1200 Haushalte allein in der Stadt Eupen. Über 1800 Menschen musste in der Nacht zum 15. Juli evakuiert werden. Nicht immer war diese Evakuierung einfach.

Wenngleich keiner rückgängig machen kann, was geschehen ist, so waren die Reaktionen doch bedeutsam. Bis heute erinnern viele Betroffene sich nicht nur an die Schäden, sondern auch an die Großzügigkeit der Unterstützung, die sie erfuhren.

Neben der vor allem auch moralisch extrem wertvollen Unterstützung durch Privatpersonen bemühten sich zahlreiche Dienste gemeinsam mit den politischen Entscheidungsträgern, Hilfe anzubieten.

Ich kann mich erinnern, dass wir auf kommunaler Ebene sehr schnell überlegten, wie wir helfen können. 

Gemeinden und ÖSHZ stellten schnell erste Hilfsmaßnahmen auf die Beine. Auch das Rote Kreuz organisierte einiges. Mir erzählten einige, dass sie dem Aufruf des Roten Kreuzes gefolgt waren.

Noch während der Aufräumarbeiten verteilten so einige Suppe an die Einwohner und deren Helfer. Im nächsten Schritt vergrößerte das Rote Kreuz mit der Unterstützung zahlreicher Ehrenamtlicher ihre Verteilstelle. Neben Lebensmitteln stellte es den Opfern der Flutkatastrophe vor allem Kleidung, aber auch beispielsweise Spielzeug für die Kinder zur Verfügung.

Die DG, die Provinz, die Wallonische Region und der Föderalstaat waren ebenfalls sehr schnell bemüht, im Rahmen ihrer Zuständigkeiten Hilfe anzubieten. Der Vinzenzverein, die König-Baudouin-Stiftung stellten ebenfalls Hilfen zur Verfügung.

Die DG organisiert in Zusammenarbeit mit den ÖSHZ Hilfen für die Betroffenen.

Für alle Betroffenen gab es die Möglichkeit, Hilfsprämien in Höhe von maximal 2500 Euro zu beantragen. Diese Unterstützung wurde zusätzlich zu dem gewährt, was die eigentlich zuständigen Ebenen organisierten. Die SP-Fraktion begrüßte diese Unterstützung. Das Ziel einer schnellen und unbürokratischen Hilfe wurde damit erreicht.

Die anderen Ebenen und insbesondere die Wallonische Region beschlossen ihrerseits Hilfsmaßnahmen, die Einwohner der Deutschsprachigen Gemeinschaft in einer späteren Phase genauso wie die französischsprachigen Nachbarn beanspruchen konnten.

Auch den Gemeinden gewährte die Deutschsprachige Gemeinschaft finanzielle Hilfe beim Wiederaufbau. Über 27 Millionen Euro wurden in Form einer zusätzlichen Dotation den Gemeinden übertragen.

In Eupen, das kann ich bestätigen, konnten und können wir diese Unterstützung sehr gut gebrauchen.

Unter Berücksichtigung des psychologischen Aspekts fließt ein kleiner Teil der Mittel in den Bereich der Wiederbelebung im Sinne der Dienstleistungen vor Ort.

So möchte Eupen insbesondere auch die Unterstadt wieder aufleben lassen. Mit Hilfe der DG konnte beispielsweise der „Aunderstädter Sonntagsmarkt“ organisiert werden.

Weit über Eupen hinaus zieht er Leute an. Dies ist ein wichtiger Schritt in Richtung Normalität.

Thematisch ist man bisher in Einklang mit den Prioritäten unserer Gegend, wie auch mit denen der SP-Fraktion. So lag im April der Fokus auf Nachhaltigkeit, aber auch schon auf Interkulturalität mit den Stichworten „bio & regional“ und „Weltküche“. Und auch diesmal wird es die Möglichkeit geben, Spezialitäten aus unterschiedlichen Ländern zu entdecken.

Doch vor allem die Infrastruktur soll mit der Sonderdotation wieder aufgebaut werden.

Brücken wurden mitgerissen, Sportvereine hatten plötzlich keine Räumlichkeiten mehr.

Der Wiederaufbau ist noch lange nicht abgeschlossen, man sieht aber, dass er voranschreitet.

Mit ausschließlich den Geldern der Versicherung würde der Wiederaufbau ewig dauern. Dank der Unterstützung der Deutschsprachigen Gemeinschaft, einer Entschädigung durch den Katastrophenfonds und Mitteln der Wallonischen Region schreitet der Wiederaufbau deutlich schneller voran. 

Ein paar Beispiele von Infrastrukturvorhaben, die von der DG in Eupen bezuschusst werden: Immobilien der Stadt Eupen, die Erneuerung von Außenplätzen der Tennisclubs und Instandsetzungen an der Kinderkrippe des RZKB.

In anderen Gemeinden werden folgende Infrastrukturvorhaben von der DG bis zu 90 % bezuschusst: die Erneuerung von Außenplätzen des Tennisclubs Kelmis und die Erneuerung von Fußballfangzäunen in Schönberg.

Hierzu erklärte der Ministerpräsident denn auch: „Ausnahmslos alle bislang eingegangenen Projektanträge, die mit der Bewältigung von Flutschäden zusammenhängen, wurden in den Infrastrukturkatalog aufgenommen. Darüber hinaus können Akteure der Bereiche Sport, Jugend, Kultur und Soziales für beschädigte oder zerstörte Ausrüstungsgegenstände Zuschüsse in Höhe von 90 % beantragen.

Uns als SP-Fraktion ist auch besonders wichtig, dass die Deutschsprachige Gemeinschaft Zuschüsse für die Einstellung von zusätzlichem Hilfspersonal gewährte.

Darüber hinaus sollte alles getan werden, um langfristig Arbeitsplätze zu sichern. Insbesondere das Kabelwerk als einer der großen Arbeitgeber in Ostbelgien benötigte schnelle Unterstützung, aber auch zahlreiche kleinere Unternehmen.

In einem Wort lässt sich zusammenfassen, warum die SP-Fraktion all diese und weitere Unterstützungen der Deutschsprachigen Gemeinschaft in Folge der Flutkatastrophe befürwortete: Solidarität!

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich werde nicht auf all die weiteren bereits getroffenen Maßnahmen, beispielsweise in den Bereichen des Wohnungswesens und der Raumordnung eingehen.

Uns als SP-Fraktion ist nun vor allem wichtig, dass wir mehr tun als nur zurückblicken und reparieren.

Heute erscheint es mir auch überaus wichtig, dass wir alles daran setzen, eine Wiederholung dieser Katastrophe zu verhindern.

Die SP-Fraktion möchte sich mit der Zukunft beschäftigen.

Wie können wir dafür sorgen, dass sich eine solche Katastrophe nicht wiederholt? Wie können wir auch im Rahmen der Zuständigkeiten der Deutschsprachigen Gemeinschaft dafür sorgen, dass die Schäden zukünftig begrenzt werden?

Ich sage bewusst, „begrenzt“, weil die Natur mächtiger ist als wir.

Überschwemmungen können wir nicht gänzlich verhindern. Jedoch können wir dafür sorgen, dass die Haushalte deutlich weniger stark getroffen werden.

Es ist Zeit, zu handeln! Denn der nächste starke Regen kann jederzeit über uns hereinbrechen.

Das zeigten erst kürzlich die Überschwemmungen in Hannut und anderen nahe gelegenen Ortschaften. Sie richteten erneut Schäden an, wenn auch nicht in dem gleichen Ausmaß wie letzten Sommer.

Denn der nächste starke Regen kann jederzeit über uns hereinbrechen.
Das zeigten erst kürzlich die Überschwemmungen in Hannut und anderen nahe gelegenen Ortschaften. Sie richteten erneut Schäden an, wenn auch nicht in dem gleichen Ausmaß wie letzten Sommer.

Um die richtigen Entscheidungen zu treffen, müssen wir uns auch fachmännisch beraten lassen. Deswegen begrüßen wir, dass ein Dienstleistungsauftrag zur Beratung hochwassergeschädigter Gemeinden beim nachhaltigen und hochwasserresilienten Wiederaufbau ausgeschrieben wurde.

Inspirieren können wir uns auch von hochwassererfahreneren Gegenden.

Und zusammenarbeiten sollten wir mit anderen, die ähnliche Herausforderungen bewältigen. Der Ministerpräsident erwähnte eine Zusammenarbeit mit der Wallonischen Region. Und der Bericht des Untersuchungsausschusses wird der Regierung der Deutschsprachigen Gemeinschaft eine Hilfe sein.
Beinahe genauso interessant ist in dieser Frage eine Zusammenarbeit oder zumindest ein Austausch mit den Bundesländern Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz.
Wir sollten zumindest genauestens schauen, welche Regelungen dort bereits gelten und welche Empfehlungen dort von Experten erarbeitet werden. Unsere Regierung ist für gute Kontakte zu den Nachbarregionen bekannt. Wir sind daher zuversichtlich, dass dieser Austausch unter guten Bedingungen stattfindet.

Wichtig ist uns, dass alles daran gesetzt wird, unsere Region so gut es geht auf ähnliche Wetterphänomene vorzubereiten. Gut vorbereitet sein darf hier nicht ausreichen. Die Deutschsprachige Gemeinschaft muss sich bestmöglich auf extreme Wetterphänomene vorbereiten!

 

Werte Damen und Herren,
in dieser Frage werden wir einmal mehr die neuen Zuständigkeiten der DG nutzen können.
Ja, die Regelungen für Raumordnung und für das Wohnungswesen müssen unter dem Blickwinkel der Hochwasserresilienz auf den Prüfstand gestellt werden.
Darüber hinaus ist es auch wichtig, unsere Verwaltungsmitarbeiter und Mandatare in Risikomanagement und Krisenmanagement zu schulen.
Mit der Hilfeleistungszone und der Polizeizone sollte auch eng zusammengearbeitet werden, damit wir sie im Rahmen unserer Zuständigkeiten unterstützen können.

Und selbstverständlich muss dem Klimawandel weiter entgegengewirkt werden. Hier handelt es sich jedoch aus unserer Sicht nicht um eine neue Erkenntnis.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Kirsten Neycken-Bartholemy

https://www.youtube.com/watch?v=O58Nfg40WmQ