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Fazit: Aktionswoche Fachkräfte

Mündliche Frage von Herrn Patrick Spies an Ministerin Isabelle Weykmans

Zum Fazit der Aktionswochen Fachkräfte

Der Fachkräftemangel stellt eine der wesentlichen Herausforderungen für Ostbelgien dar. Nicht ohne Grund ist auch hier im Parlament so häufig davon die Rede.

Denn auch wenn die Beschäftigungsquote bei uns in nach wie vor sehr hoch ist, so ist es für viele Arbeitgeber doch immer schwieriger geeignetes Fachpersonal zu finden.

Die Gründe hierfür sind vielschichtig. Angefangen beim demografischen Wandel, über den sich verändernden Arbeitsmarkt bis hin zu steigende Anforderungen ist wohl von allem etwas dabei.

Um dem Problem gezielt entgegenzuwirken, wurde im Jahr 2018 das „Fachkräftebündnis Ostbelgien“ ins Leben gerufen, welches sich aus Akteuren aus den Bereichen Politik, Bildung und Wirtschaft zusammensetzt.

Gemeinsam haben sie in den Monaten März und April die Aktionswochen organisiert, welche sich sowohl an Arbeitgeber als auch an Arbeitnehmer und nicht zuletzt an Schüler und Studenten richteten. Dies mit dem Ziel den ostbelgischen Arbeitsmarkt in den Fokus zu rücken sowie auf bereits bestehende Möglichkeiten aufmerksam zu machen.

Konkret reichte das Angebot dabei von Social-Media-Kampagnen bis hin zu Veranstaltungsreihen. Ebenfalls zu erwähnen ist die Busfahrt, die an verschiedenen Horeca-Betrieben Halt machte und bei der junge Menschen sich über die Perspektiven und Karrieremöglichkeiten in diesem Sektor erkundigen konnten.

Vor diesem Hintergrund möchte ich Ihnen werte Frau Ministerin folgende Fragen stellen:

  • Welches Fazit können Sie aus den Aktionswochen ziehen?
  • Wie lassen sich die Kosten dieser Aktionen aus Sicht der Deutschsprachigen Gemeinschaft aufschlüsseln?
  • Welche weiteren Initiativen sind zur Bekämpfung des Fachkräftemangels seitens der Regierung geplant?

Antwort der Ministerin:

Sehr geehrter Herr Vorsitzender,
Werte Kolleginnen und Kollegen,

der Fachkräftemangel ist nicht mehr nur ein Problem der kleineren und mittleren Unternehmen in Ostbelgien, die durch die Konkurrenz vor allem mit Luxemburg um Personal
wetteifern. Es geht an die Substanz unseres sozialen Zusammenhalts, unseres Wohlstandes und unserer wirtschaftlichen Zukunftsfähigkeit. Altenpflege, Gesundheitsversorgung, Bildung, energetische Absicherung, Grundversorgung ländlicher Gebiete – all das kann nur durch Menschen funktionieren, die hier arbeiten möchten. Um dem Problem auf den Grund zu kommen, müssen wir uns einen Augenblick den Ursachen widmen.

Wir in Ostbelgien sind trotz oder gerade wegen unserer privilegierten Position im Herzen einer wirtschaftlich sehr starken europäischen Region noch mehr vom Fachkräftemangel betroffen, als es ganz Europa schon wegen der Demographie ist. Auf 10 Personen, die aus dem Arbeitsmarkt austreten, kommen nur 4 neue in den Arbeitsmarkt rein. Das Steuergefälle mit den Nachbarländern tut in Ostbelgien sein Übriges dazu. Eine Lösung ist es, Menschen, die schon berufstätig sind, länger in Arbeit zu halten. Dazu gibt es verschiedene rentenrelevante Instrumente, die das ermöglichen sollen, ist aber nicht unsere Zuständigkeit, deswegen gehe ich nicht weiter darauf ein. Eine andere Möglichkeit ist es, denjenigen Menschen den Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen, die durch multiple Hemmnisse nicht sofort in den Fokus der Personalabteilungen und Betriebsverantwortlichen kommen, wenn nach Personal gesucht wird. Das sind Menschen mit Migrationshintergrund, Menschen mit Unterstützungsbedarf sowie ältere Arbeitnehmer*innen und Langzeitarbeitslose. Das machen wir in Ostbelgien mit der Aktif-Förderung, mit unseren diversen Weiterbildungsmaßnahmen, mit dem Praktikum aus einer Hand und mit einer radikalen Reform der Vermittlungsinstrumente des Arbeitsamtes, die gerade läuft. Gleichzeitig muss an der Attraktivierung des Arbeitsmarktes allgemein und speziell für inaktive Personengruppen gearbeitet werden, z.B. für Frauen, die wegen der Kindererziehung zuhause bleiben. Da sind ein gutes Kinderbetreuungsnetz, aber auch familienfreundliche innerbetriebliche Strukturen und flexible Arbeitszeiten Bereiche, an denen wir als Regierung, aber auch die ostbelgischen Unternehmen ansetzten und Fortschritte gemacht haben. Angesetzt werden muss auch in der Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland. Hier arbeiten sowohl die öffentlichen als auch die privaten Vermittlungsdienste eng zusammen. Auch die Standortentwicklung im Ministerium hat ein Willkommenskonzept entwickelt, das ankommenden oder angeworbenen Fachkräften einen ersten Ansprechpartner in Ostbelgien zur Seite stellen soll. Denn ein attraktiver Lebensort sind wir schon. Für Menschen, für die Life-Work Balance immer wichtiger wird und die der langen Pendelwege überdrüssig sind, werden hiesige Arbeitgeber
immer interessanter. Gleichzeitig werden Ostbelgische Netzwerke in der Welt aktiviert, um für Ausgewanderte die Verbindung zur ostbelgischen Arbeitswelt aufrechtzuerhalten.
Was aber vielleicht das größte Potential beinhaltet, ist die Auswanderung von jungen Menschen aus Ostbelgien aufzuhalten, indem schon in der Schule die ostbelgische
Arbeitswelt sichtbar und erlebbar wird, für ihre Berufsbilder begeistern und gewinnen kann und im Erfahrungshorizont der Kinder und Jugendlichen einen festen Platz einnimmt. Wenn es dann um die Entscheidung geht, was soll ich lernen, wo soll ich arbeiten, formieren sich Informationen und Erlebnisse aus der Schulzeit in konkrete – im Idealfall ostbelgische – Berufspläne zusammen. Die neue Berufliche Orientierung in den Schulen, die Berufs- und Betriebserkundungen, sowie Praktika und Hospitationen für alle Schüler*innen verpflichtend einführt, ist ein großer – wenn auch langfristiger Schritt – in Richtung Nachwuchs- und Fachkräfteförderung in Ostbelgien.
Und somit komme ich zu den „Aktionswochen Fachkräfte“, die alle vorgenannten Maßnahmen während zwei Monate zusammengeführt hat, um zu zeigen: Der
Herausforderung Fachkräftemangel kann nur gemeinsam begegnet werden. Alle Maßnahmen sind Teil einer größeren strategischen Ausrichtung und alle Partner –
Arbeitgeber, Bildungseinrichtungen, Regierung, Vermittlungsdienste und öffentliche Träger – arbeiten hier zusammen. Das leben wir seit 2018 im Fachkräftebündnis und das hat seine Abbildung in der Organisation dieser Aktionswochen gefunden.
So fanden schon geplante und wiederholende Formate während der Aktionswochen noch mehr Öffentlichkeit und wurden in Bezug zur Thematik Fachkräfte gesetzt: Die Technikferien Knick-Knack, die Schnupperwochen des IAWM, Markt der Lehrberufe, Entdeckertage, oder die Infoabende des ADG „Was machen nach der Schule“. Auch das Leadership Training für Nachwuchsführungskräfte oder Wirtschaft macht Schule bei der WFG verortet, waren schon geplante Veranstaltungen. Diese Formate haben keine gesonderte Bezuschussung im Rahmen der Aktionswochen erhalten.
Die Aktionswochen waren aber vor allem die Initialzündung auch Neues auszuprobieren. Das Jugendbüro hat über Soziale Berufe informiert und auf Jugendarbeit „Bock“ gemacht. HoReCa-Wallonie hat gemeinsam mit uns eine Bus-Tour zum Mitmachen durch ostbelgische Hotel- und Gastronomie Betriebe unternommen. Ministerium, ADG und der Verband der privaten Vermittlungsagenturen haben mit uns gemeinsam das Webinar „Fachkräfte finden – aber wie?“ organisiert. Und schließlich haben wir mit „Super Chef – Spaß im Job!“ jungen Menschen eine Plattform auf Social Media gegeben, sich über ihre Wünsche und Ihre Meinung zur Arbeitswelt von Morgen zu äußern. Im Großen und Ganzen haben die Aktionswochen Fachkräfte vieles angeregt und vieles ausgesprochen, was in dieser kompakten Form vielleicht nicht allen klar war:
Zur Überwindung des Fachkräftemangels müssen wir schon in der Schule anfangen, Begegnungsorte mit der Arbeitswelt zu kreieren.
Wir müssen Arbeitgebern dabei helfen, sich attraktiv und arbeitnehmerfreundlich zu positionieren und ihnen die Werkzeuge zur Personalsuche näherbringen.
Wir müssen für Berufe und für ostbelgische Arbeitgeber begeistern.
Die Kosten der ganzen Kampagne mit Werbespots und Anzeigen beliefen sich auf ca. 3500 Euro. Das Webinar „Fachkräfte finden – Aber wie?“ kostete ca. 2000 Euro und die HoReCA-Aktion kostete ca. 2400 Euro.
Zum Stipendiensystem für Mangelberufe, was auch eine sehr wichtige Maßnahme ist, wurde und wird in Ausschuss III gesprochen.