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Empfehlungen der 3. Bürgerversammlung zum Thema „Wohnraum für alle!“

Plenarsitzung des PDG vom 13. November 2023

Redebeitrag von Herrn Karl-Heinz Lambertz, Abgeordneter der SP- Fraktion, zu den Empfehlungen der 3. Bürgerversammlung vom 19. Februar 2022 zum Thema „Wohnraum für alle!”

Präsident, Kolleginnen und Kollegen,

wenn man über Freiräume für Träume referiert, kann einem schon mal der Blick für die Redezeit verloren gehen. Um diesen dritten Bürgerdialog zu positionieren, muss man ein bisschen über die Rahmenbedingungen sprechen. Es war einer, der in der Mitte der fünf stand, die stattgefunden haben, da waren schon Erfahrungen da, die auch genutzt wurden. Da war vor allem die Coronazeit vorbei, was die Arbeitsbedingungen erleichterte. Aber da gab es vor allem eine unwahrscheinliche Opportunität, ein Opportunitätsfenster sozusagen, nämlich die Tatsache, dass das Thema völlig in die politische Schwerpunktsetzung der Arbeit in Parlament und Regierung fiel. Wir haben eine Zuständigkeit übernommen. Es ist mit System und bedacht an die Vorbereitung herangegangen worden, nachdem man das heikle Thema der öffentlichen Wohnungsbaugesellschaft geregelt hatte.

Man hat von Regierungsseite eine Arbeitsgruppe mit den Akteuren geschaffen und dann startete parallel dazu die Bürgerversammlung. Gerade hatten beide ihre Überlegungen beendet, da kündigte die Regierung eine Orientierungsnote an; und das alles zusammen ist natürlich optimal für das Formulieren von Vorschlägen und für das Schaffen der Voraussetzungen für ihre Umsetzung. Diese Nähe zu einem politisch hochrelevanten Thema, das in der Ausarbeitung ist, ist übrigens etwas, was man sich viel öfter für die Wahl der Themen im Bürgerdialog wünschen könnte. Das hat nämlich eine unendlich größere Effizienz als das Diskutieren über womöglich sehr spannende Themen, die aber nicht in die politische Priorität passen. Deshalb bin ich persönlich der Meinung, dass wir als derjenige, der die Hoheit über die Regeln des Bürgerdialogs hat, uns darüber auch nochmal bei den anstehenden Verbesserungen gründlicher unterhalten müssen. Wir können dafür sorgen, wenn wir das wollen, dass eine solche Opportunität, jedes Mal zumindest ein bis zwei Mal in einer Legislaturperiode zustande kommt.

Gut, die genaue Formulierung des Themas ist eine freie Wahl des Bürgerdialogs, da kann man natürlich optimieren, aber „Wohnraum für alle!“ oder besser gesagt „bezahlbarer Wohnraum für alle!“ gefällt mir schon unendlich besser als „Freiraum für Wohnträume“. Die sollte man auch haben, und es träumt sich ja umso besser, je mehr Kies man hat, um das finanzieren zu können.
Oder andersrum: je weniger Geld man hat, desto unerreichbarer werden die Träume bleiben.

Wohnen ist nicht irgendetwas. Das Grundrecht auf menschenwürdiges Leben umfasst ganz fundamental das Recht auf eine menschenwürdige Wohnung. Das kann eine Eigentumswohnung oder eine Mietwohnung sein, das ist ein zweites Niveau der Diskussion. Aber wichtig ist, dass alle Menschen dieses Recht haben – in Belgien von der Verfassung garantiert – und da hat schon der Staat und die öffentliche Hand eine ganz große Verantwortung. Und wenn man die Verantwortung dann als Planwirtschaft hier verunglimpfen will, dann nutzt man der Sache nicht, sondern dann hat man in Wirklichkeit eine versteckte Agenda, die irgendwo ganz anders hinfährt.

Nein, da ist die öffentliche Hand in höchstem Maße gefordert. Aber es ist auch ebenso richtig, dass bei der Frage, wer Wohnraum schaffen muss, es sich um eine wirkliche Gemeinschaftsaufgabe handelt, nicht nur im Sinne von Deutschsprachiger Gemeinschaft, sondern im Sinne von gemeinsamer Verantwortung. Da ist jeder Bürger und jede Bürgerin verantwortlich, da ist die Bauwirtschaft verantwortlich, da sind die Gemeinden verantwortlich und da sind dann auch die staatlichen Behörden oder die regionalen Behörden wie die Deutschsprachige Gemeinschaft ebenfalls verantwortlich. Und wenn alle richtig zusammenarbeiten, dann kann auch dabei was herauskommen, was Sinn macht und was einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Lage bringt. Wir stehen jetzt in der Deutschsprachigen Gemeinschaft, nachdem wir systematisch gearbeitet haben, vor dem wichtigen Punkt, dass wir in einigen Monaten oder Wochen, angekündigt für Beginn nächsten Jahres, ein Wohnungsbaudekret hier vorliegen haben werden, was grundsätzliche Weichen, im Wesentlichen für den öffentlichen Wohnungsbau, aber auch für einen ganz bestimmten Aspekt des privaten Wohnungsbaus, stellen wird, nämlich das Finanzieren des Eigenanteils bei Baukrediten.

Alles auf einmal anpacken, was an Zuständigkeit zu uns herübergewachsen ist, vom Mietrecht bis zum privaten Wohnungsbauwesen, das wäre etwas gewesen, wo wir uns überhoben hätten. Wir sollten übrigens, wenn wir objektiv mal schauen, was wir alles machen können, nicht vergessen, dass neben der Wohnungsbauzuständigkeit für die Förderung des Wohnungsbaus, die Zuständigkeit in Sachen Energie und die Zuständigkeit in Sachen Raumordnung ebenso wichtig sind. Und all das kann man in sehr interessanter Art und Weise in den 45 Vorschlägen des Bürgerdialogs wiederfinden. Besonders überraschend ist auch die Synergie oder die Konvergenz, die da mit der Arbeitsgruppe entstanden ist, die sich dazu geäußert hat. Es ist auch sehr interessant, dass was wir eigentlich bei der Diskussion mit der Politik in diesem Themenfeld doch sehr viel mehr Konvergenz als Divergenz bisher erlebt haben, aber da ist noch nicht aller Tage Abend. Warten wir mal an, wenn wir über die konkreten Modalitäten des Wohnungsbaudekretes sprechen. Jedenfalls können wir in absehbarer Zukunft Bedeutendes dazu beitragen, dass mehr privater Wohnungsbau geschieht, dass mehr öffentlicher Wohnungsbau geschieht, und dass es auch zu Partnerschaften à la Inklusio kommt, wo öffentlicher Wohnungsbau über private Mittel finanziert wird und somit nicht in die Finanzierungskapazität der Gemeinschaft fällt, beziehungsweise nicht zu unserer Verschuldung hinzugerechnet wird, falls es da Rückgrip auf Kreditsysteme gibt.

Das ist eine ganze Menge. Vielleicht am allerwichtigsten ist, dass man diese Möglichkeit, die man geschaffen hat, unmittelbar nutzt bei der Entscheidung, über Parzellierungen gewisse Sozialklausen einzubauen, und zu sagen, dass da ein gewisser Prozentsatz dessen, was privat gebaut wird, bezahlbarer Wohnraum bis zu einer maximalen Höhe an Kosten und Preisen ist. Das ist in unserer Gesetzgebung eingeführt als Möglichkeit für die Kommunen – ich bin mal gespannt, welche Kommunen das nutzen werden – und wir hätten ja auch die Möglichkeit, einen Schritt weiterzugehen und das verpflichtend zu machen.

Beim sozialen Wohnungsbau nun sind die großen Knackpunkte bekannt: Wir wollen einen Wohnungsbauparcours, man soll nicht das ganze Leben im sozialen Wohnungsbau sitzen, aber das kommt nicht von allein. Wir wollen Durchmischung, die kommt auch nicht von allein. Wir wollen gerechtere Verteilungskriterien, die kommen schon gar nicht von allein. Und wir wollen effiziente Betreuung, auch da muss stark dran gearbeitet werden. All das kann jetzt durch das anstehende Dekret aufgegriffen werden und ich bin überzeugt, dass vieles von dem, was in den Schlussfolgerungen des Bürgerdialogs steht, sich da wiederfinden wird. Und genauso wie die heutige Diskussion etwas ist, was nicht in dem Dekret über den Bürgerdialog vorgesehen ist – es steht nicht drin, dass wir eine große Debatte am Ende führen hier – genauso wenig stand dort drin, dass die Mitglieder des Bürgerdialogs sich an den Ausschussarbeiten über die Orientierungsnote beteiligen konnten, genauso ist es aber auch möglich, die Leute aus dem Bürgerdialog teilhaben zu lassen an den Überlegungen im Ausschuss über das Wohnungsbaudekret. Da kommt Interessantes auf uns zu, wir haben eine gute Grundlage und deshalb denke ich, dass das ein weiteres Beispiel für die äußerst hohe Brauchbarkeit unseres Bürgerdialogsmodells ist.