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Abschiedsrede: Karl-Heinz Lambertz

Plenum des PDG vom 13. Dezember 2023

Abschiedsrede von Karl-Heinz Lambertz, Abgeordneter der SP-Fraktion

Herzlichen Dank für die lobenden und freundschaftlichen Worte, die ihr an mich gerichtet habt.

Vieles, ja alles von dem, was ihr erwähnt habt, habe ich jedoch nicht alleine zustande gebracht. Es waren Mannschaftsleistungen, an denen viele in der 1. Reihe oder aber im Hintergrund beteiligt waren. Sie alle möchte ich in das Lob einbezogen wissen.

Als ich vor 42 Jahren und 12 Tagen zum ersten Mal meinen Eid als gewähltes RDK-Mitglied geleistet habe, konnte niemand ahnen, wo wir heute nach 50 Jahren Gemeinschaftsautonomie stehen und mit unserer DG angekommen sind.

Damals, im Dezember 1981, ging es vor allem darum, auf das Niveau der anderen Gemeinschaften zu geraten. Einen Rat mit Dekretbefugnissen sowie einer von ihm gewählten und von ihm verantwortlichen Exekutive lautete die immer wieder von allen politischen Kräften gebetsmühlenartig erhobene Forderung. Nach ihrer Erfüllung 1983 sollte ihr 3 Jahrzehnte später als nächster entscheidender Schritt die 2011 erhobene und 2019 bekräftigte Forderung nach der Übernahme aller gliedstaatlichen Zuständigkeiten mit angemessenen Finanzmitteln oder Finanzierungsmöglichkeiten – die berühmte bereit, gewillt und in der Lage Resolution – folgen.

Und auch diese wird – davon bin ich zutiefst überzeugt – in absehbarer Zukunft in Erfüllung gehen. Dank der gesamtbelgischen Entwicklung und dank des Artikels 139 der Verfassung stehen die Sterne gut. Und daran werden auch einige Skeptiker hierzulande nichts ändern können! Nach der Dubleastudie zur Finanzierbarkeit übrigens noch weniger als vorher.

Das Autonomiestatut unserer Gemeinschaft ist weder ein Wunschkonzert, noch ein Selbstbedienungsladen. Was möglich und was nötig ist, ergibt sich jeweils aus der Gesamtentwicklung des belgischen Bundesstaatsmodell, auf dessen Gestaltung wir als Minderheit kaum einen Einfluss haben. Wir müssen die Entwicklung antizipieren und zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort die richtigen Forderungen erheben.

Das habe ich ein halbes Jahrhundert getan und dafür werde ich mich auch in Zukunft mit meinem ganzen Gewicht weiterhin einsetzen.

Dabei dürfen wir allerdings eines nie vergessen:

Die Autonomie ist kein Selbstzweck, sondern lediglich ein Mittel – allerdings ein mächtiges – zur Verbesserung der Lebensbedingungen in Ostbelgien.

Dies ist keine leere Floskel. Dies ist für uns Politiker ein Maßstab, eine Verpflichtung und eine Bringschuld in allen im Laufe der vergangenen 50 Jahren ständig angewachsenen Zuständigkeiten.

Bei der Umsetzung dieses Auftrages sollten wir nie vergessen, dass autonom sein keineswegs bedeutet, alles selbst in Eigenregie zu verwirklichen.

Im Gegenteil! Oft ist Kooperation der bessere Weg.

Und dies gilt gleichermaßen für die Zusammenarbeit nach innen mit den Gemeinden und den gesellschaftlichen Kräften unserer Heimat als auch nach außen mit unseren Partnern auf innerbelgischer, grenzüberschreitender und interregionaler Ebene.

Dies gelingt aber nur, wenn ein breites und gut funktionierendes Netz an Kontakten vorhanden ist. Für dessen Auf- und Ausbau habe ich mich aller Kritik zum Trotze immer konsequent eingesetzt und ich bin froh, dass meine Nachfolger dies genauso konsequent tun. Dies ist für die Zukunftstüchtigkeit Ostbelgiens von allergrößter Bedeutung.

Von ebenso großer Bedeutung ist jedoch auch der richtige Umgang mit den Vorteilen und Herausforderungen unserer Kleinheit.

Wir sind und bleiben ein Kleingliedstaat. Das kann man belächeln. Zielführender ist jedoch, sich genauer umzuschauen und zu analysieren, wie Gliedstaaten in anderen Ländern mit ihrer Kleinheit umgehen. Die Schweizer Kantone sind in diesem Zusammenhang ein besonders anschauliches Beispiel, von dem man viel lernen kann.

Fehlende Skaleneffekte sind genauso wie vorhandener Fachkräftemangel keine unüberbrückbaren Hindernisse. Man braucht wirkungsvolle Instrumente zu ihrer Bewältigung und man muss diese zielstrebig einsetzen.

Dies gilt übrigens insgesamt für die Gestaltung der Gemeinschaftsautonomie. Regionale Entwicklungskonzepte, Finanzsimulationen und Infrastrukturpläne spielen dabei eine ganz besonders wichtige Rolle. Deshalb war mir deren Schaffung ein prioritäres Anliegen.

Wer handelt, macht auch Fehler. Im Nachhinein ist man immer klüger. Auch mir sind Fehler unterlaufen und aus heutiger Sicht würde ich zweifellos das eine oder andere anders anpacken. Aber die Vergangenheit lässt sich nicht ändern. Man kann allerdings viel aus ihr lernen. Durch die Brille der Vergangenheit in die Zukunft schauen ist immer ein lohnendes Anliegen.

Dazu werde ich in den kommenden Monaten und Jahren vermehrt Zeit haben. Und dies werde ich auch – insofern mir meine Gesundheit es erlaubt – auch tun.

 

Ehe ich mich endgültig aus diesem Hause verabschiede, möchte ich noch einige Dankesworte aussprechen.

Zuerst an die Wählerinnen und Wähler, die mir für 9 Legislaturperioden ihr Vertrauen geschenkt und somit meine Arbeit ermöglicht haben.

Dankbar bin ich auch für die zahlreichen Kontakte, Gespräche und Diskussionen mit den über 200 Mitgliedern dieses Hauses. Ich hatte das Privileg, ihnen allen in den vergangenen 50 Jahren persönlich zu begegnen und mit den allermeisten habe ich den Austausch – auch und gerade, wenn er kontrovers war – als bereichernd und konstruktiv erlebt.

Mein Dank gilt auch den Kolleginnen und Kollegen, mit denen ich 24 Jahre lang in der Regierung zusammenarbeiten durfte. Gemeinsam haben wir so einiges zustande gebracht.

Ganz besonders bedanken möchte ich mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Gemeinschaftsverwaltung und -dienststellen, in der Parlamentsverwaltung, in den Kabinetten und Fraktionssekretariaten, ohne deren Zuarbeit vieles – ja sogar das meiste – nicht möglich gewesen wäre. Sie werden immer wieder als überflüssiger Wasserkopf oder überzogener Verwaltungsapparat verunglimpflicht. Dagegen möchte ich in aller Deutlichkeit protestieren. Sie leisten gewissenhaft hervorragende und unverzichtbare Arbeit, auch wenn gewisse Kreise das immer wieder in Frage stellen.

Außerordentlich geschätzt habe ich den Austausch und die Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen und Mitarbeitern in den zivilgesellschaftlichen Einrichtungen und Organisationen, mit denen ich regelmäßig, ja tagtäglich, in Kontakt gestanden habe. Sie erfüllen hierzulande ganz wichtige Aufgaben, und ihr Engagement ist bewundernswert. Es verdient die volle Unterstützung von Parlament und Regierung.

Ein letztes und besonders herzliches Dankeschön möchte ich an meine Familie richten, an meine Frau, an meine Kinder, an meine Schwester und deren Familien. Es ist nicht einfach, einen Vollblutpolitiker als Mann, Vater oder Bruder zu haben. Oft kommt das Familienleben zu kurz und regelmäßig müssen in der Öffentlichkeit Vorwürfe eingesteckt werden, für die man als Familienmitglied eines Politikers keinerlei Verantwortung trägt. Meine Familienangehörigen haben mich jeder auf seine ganz persönliche Art und Weise – oft auch kritisch – begleitet. Dafür und für ihre Geduld und Ihr Verständnis bin ich ihnen unendlich dankbar.

Ich komme zum Schluss. Ich habe die Arbeit in Parlament und Regierung gemeinsam mit Ihnen allen gemacht. Heute scheiden sich unsere Wege.

Für Ihre politische, berufliche und persönliche Zukunft wünsche ich Ihnen alles Gute.

Setzen Sie sich weiterhin für das Wohlbefinden und die Belange der Deutschsprachigen Gemeinschaft ein, streiten Sie weiter über den besten Weg, aber vergessen Sie nie, dass in grundsätzlichen Fragen ein möglichst breiter Konsens von schicksalhafter Bedeutung ist.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.